„Silver Linings“: Hollywoods Optimismustherapie

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David O. Russells romantische Komödie serviert ein Wechselbad der Gefühle – mit zu viel Kalkül. Russells Inszenierung will bipolar wie seine Figuren sein. Jennifer Lawrence und Robert De Niro berühren dennoch.

Jede Wolke hat ihren Silberstreif – „Every cloud has a silver lining“: Die sprichwörtliche englische Phrase für Optimismus gibt diesem Film schon den Titel. „Silver Linings“ ist der zweite Anlauf des Regisseurs David O. Russell nach seinem Oscar-Boxerfilm „The Fighter“ (2010), um sich vollends dem Mainstream anzuempfehlen. Ein radikaler Umstürzler war Russell zwar nie, aber einen gewissen Hang zum Wahnwitz konnte man ihm nicht absprechen: Bis zum Karriereknick schien der Titel seines ersten Komödienerfolgs von 1996 durchaus angemessen: „Flirting with Disaster“.

Neuauflage klassischer Screwball-Comedy

Schon damals arbeitete Russell an der frenetischen Neuauflage klassischer Screwball-Comedy-Muster. Auch sein Herzensprojekt ging in die Richtung: Nachdem seine Irak-Krieg-Satire „Three Kings“ 1999 zum Hit wurde, bekam er freie Hand für „I Heart Huckabees“ (2004): Die Farce über Sinnsuche in den von Konzernen dominierten USA war sein persönlichster und verrücktester Film – und ein empfindlicher Flop. Das noch gewagtere Folgeprojekt „Nailed“ (ein von Jake Gyllenhaal gespielter Senator verliebt sich in eine Kellnerin mit einem Nagel im Kopf!) blieb unvollendet. Stattdessen ließ sich Russell als Auftragsregisseur für „The Fighter“ anwerben – und ordnete seinen hyperaktiven Stil ganz den Anforderungen konventioneller Unterhaltung unter: Russells Vorliebe für Familientumult war Aufhänger für eine gefällige „Rocky“-Variation.

„Silver Linings“ folgt ähnlichen Bahnen (und spielt sogar in Rockys Heimatstadt Philadelphia), gekreuzt mit der Grundidee des Starvehikels „Besser geht's nicht“: Da machte Jack Nicholson mit maliziösem Bravour einen misanthropischen Zwangsneurotiker zum unwiderstehlichen Zentrum, was die brav befolgten Wohlfühlformeln der romantischen Komödie mit einer dreisten Prise Problemfilm würzte. In „Silver Linings“ gibt Bradley Cooper („Hangover“) den manisch-depressiven Lehrer Pat, der nach einem Anstaltsaufenthalt mit dem Schlachtruf „Excelsior!“ heimkehrt: Optimismustherapie!

Da er den Liebhaber seiner Frau verprügelt hat, wurde Pat eingewiesen: Seine Versöhnungsvisionen stört es kaum, dass die Gattin inzwischen eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt hat. Ansonsten rennt er im Müllsack durch die Straßen und weckt das Haus, indem er spätnachts Hemingways „In einem anderen Land“ wütend aus dem (verschlossenen) Fenster wirft: Das niederschmetternde Ende – eine Frechheit! Bei seinem Papa (Robert De Niros berührendste Darstellung seit Langem) entschuldigt er sich dann – für das Versagen des Schriftstellers.

Pat senior ist dem Sohn ähnlicher, als er wahrhaben will: Als fanatischer Fan des Footballteams „Philadelphia Eagles“ hat er Stadionverbot nach Ausschreitungen, jetzt verfolgt er die Spiele daheim im TV und betätigt sich dazu als erheiternd abergläubischer Buchmacher. Im Heim herrscht also verbales Dauerfeuer – Mama (Jacki Weaver) kann locker mithalten –, was Regisseur Russell Gelegenheit gibt, seine Vorliebe für rasante Registerwechsel auszuleben. Als auch noch die ebenfalls seelisch beschädigte junge Witwe Tiffany auftritt, hat der Film seinen magischen Moment: Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“) erscheint wirklich wie ein Wunderwesen. Aus belanglosem Smalltalk brechen ungeahnte Dinge hervor, eine Annäherung mit genrebedingten Schwierigkeiten und exzentrischen Abschweifungen beginnt: Bald streiten Pat und Tiffany, wer von ihnen wirklich verrückter ist. Und üben für einen Tanzwettbewerb.

Ein Film, bipolar wie seine Figuren

Russells Inszenierung will bipolar wie seine Figuren sein: einmal himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt. Aber der Wahnwitz, mit dem „I Heart Huckabees“ so aus dem Ruder lief, in ungeahnte Höhen und Tiefen, weicht in „Silver Linings“ eingängigem Kalkül: ein Film über verletzte Menschen, der niemandem wehtun soll. Bei aller Hektik und trotz selbstbewusster Schlenker bleibt bis in den Doppelshowdown – Entscheidungswette zu Tanz und Footballspiel! – nie Zweifel am Sieg der Konvention über die absurden Abschweifungen. Alles speist sich letztlich aus einer (Un-)Wirklichkeit, die von hunderten anderen Filmen zementiert ist.

So sind die angeblichen Krankheiten der Stars vor allem da, um für attraktive Heilbarkeit zu sorgen. Bei aller Durchschaubarkeit eine wirksame Sympathiestrategie: Der volle Originaltitel – „Silver Linings Playbook“ – gibt immerhin zu bedenken, dass die Hoffnung hier einem Regelwerk folgt, dem der Traumfabrik. Als postmodernes Amüsement ist der Film ein Selbstläufer: hinter seinem Charme verbirgt sich Zwangsoptimismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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