Putin dreht an Serbiens Gashahn

SERBIA RUSSIA DIPLOMACY
SERBIA RUSSIA DIPLOMACYAPA/EPA/SRDJAN SUKI
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Beim Geld endet die slawische Bruderliebe: Wegen nicht beglichener Schulden hat Gazprom die Lieferungen an Serbien um 28 Prozent reduziert.

Belgrad. Zufrieden ließen die Gastgeber in triefenden Anzügen Mitte Oktober die kalten Schauer über sich ergehen. Serbiens Würdenträger standen bei der ersten Militärparade seit 29 Jahren für einen scheinbar guten Zweck im Regen: zu Ehren eines hohen Gasts aus Moskau. Russlands gut beschirmter Präsident Wladimir Putin hielt sein edles Tuch beim Kriegerdefilee im Trockenen. Sein vermeintliches Füllhorn hatte der Kreml-Chef bereits vorab über seinen begeisterten Gastgebern ausgeschüttet: Die russischen Investitionen in Serbien könnten in den nächsten drei Jahren von derzeit drei auf bis zu zehn Milliarden Euro steigen, versprach Putin in Belgrad.

Der Gast habe dem Land „sieben wichtige Abkommen geschenkt“, jubilierte nach Putins Kurzvisite das Boulevardblatt „Blic“. „Milliarden und ein brüderliches Bündnis“, titelte glückselig der „Informer“. Doch längst ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen. Denn beim lieben Geld endet die in Belgrad gern verklärte Bruderliebe. Wegen unbezahlter Rechnungen in Höhe von 224 Millionen Dollar hat der russische Gazprom-Konzern die Gaslieferungen an Serbien Ende Oktober einseitig um 28 Prozent reduziert.

Laut Presseberichten soll Putin deshalb am Gashahn gedreht haben, weil sich Serbiens Premier Aleksandar Vučić geweigert habe, ein Abkommen zum Abstottern der Schulden zu unterzeichnen. Niemand stelle deren Höhe in Abrede, es gehe nur um den Abzahlungsmodus, versicherte Vučić: „Es gibt keine Gaskrise. Wir werden alle Probleme lösen.“ In dieser Woche konferierte er erneut telefonisch mit Putin: In drei Raten werde die Schuld abgestottert, so hernach ein dürres Kommuniqué.

Investitionen bleiben aus

Bitter fallen die Kommentare im Web aus. „So sind eben die Russen: kalt und berechnend“, ätzte ein Surfer auf dem Portal des TV-Senders B92. „Ihr habt Euch für nichts durchregnen lassen“, höhnte ein weiterer Kommentator. Tatsächlich sind Belgrad von der Parade für Putin nur von Panzerketten zerfurchter Asphalt und verstimmte EU-Partner geblieben. Denn auch der vom Gast gelobte Milliardensegen hat sich als stark aufgeblasener Ballon erwiesen.

Ob Serbien einmal in den Genuss der von Moskau gelobten Transitmilliarden der geplanten Gaspipeline South Stream kommen wird, hängt von der Entwicklung der erkalteten Beziehungen Moskaus zur EU ab. Die Zeichen für die Realisierung des von Brüssel faktisch auf Eis gelegten Projekts stehen derzeit eher ungünstig.

Zwar ist Serbien in hohem Maße von russischen Gasimporten abhängig. Ansonst spielt Russland für den EU-Anwärter wirtschaftlich aber keineswegs eine prominente Rolle. Serbiens Ausfuhren nach Russland sind zwar am Steigen, machen aber noch immer lediglich sieben Prozent der Gesamtexporte aus. Bei den ausländischen Direktinvestoren in Serbien belegt der Bruderstaat nur den siebten Rang.

Viel kosten lässt sich Moskau die Verbundenheit mit Serbien zudem nicht. Weit unter Marktpreis durfte sich die Gazprom 2008 als Dank für Moskaus rhetorischen Flankenschutz im Kampf um den längst verlorenen Kosovo den größten Energiekonzern NIS einverleiben. Inzwischen liegen dessen jährliche Gewinne bereits deutlich über dem Kaufpreis.

Umgekehrt hat Serbien vergleichsweise hohe Preise für russisches Gas zu zahlen. Und die in Serbien montierten Fiat bleiben vorläufig weiter vom Freihandelsabkommen mit Russland ausgenommen. „Interessen über Sympathien“, umschreibt die Zeitung „Danas“ nüchtern das Verhältnis: „Wenn wir neben der EU noch einen weiteren strategischen Wirtschaftspartner benötigen, wären für uns Chinesen oder Araber wesentlich besser.“

AUF EINEN BLICK

Serbien. Investitionen in Milliardenhöhe hat Russlands Präsident Putin bei seiner Belgrad-Visite im Oktober den Gastgebern in Aussicht gestellt. Doch wegen unbeglichener Gasschulden dreht Moskau nun auch am serbischen Gashahn. Denn spätestens beim Geld endet die in Belgrad gern idealisierte russisch-serbische Bruderliebe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)

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