Trotz SPÖ-Kritik: Spindelegger hält an Fiskalpakt fest

(c) Dapd (Hans Punz)
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Die Koalition ist sich beim EU-Stabilitätspakt uneins. Aber auch die SPÖ ist gespalten: Die Positionen reichen von totaler Ablehnung bis hin zur Forderung nach einer Verschiebung der Abstimmung im Parlament.

Wien/Ib. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erwartet vom heutigen EU-Gipfel in Brüssel eine informelle Debatte ohne Tabus über die Zukunft der Eurozone. An der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten führe kein Weg vorbei, auch gehe es darum, Wachstumsinitiativen zu setzen, sagte Faymann gestern im Hauptausschuss des Nationalrats. Damit stellt er sich auf die Seite des neuen französischen Präsidenten, François Hollande, der sich gegen die strikten Sparmaßnahmen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ausgesprochen hat und sich für mehr Wachstumsinitiativen einsetzt.

Allgemein mehren sich in der SPÖ Stimmen gegen den Fiskalpakt. Dieser Pakt sieht die Einführung einer Schuldenbremse und strengere Kontrollen im Fall von Haushaltsproblemen vor. Wenn ein Land gegen die Regeln des Stabilitätspakts verstößt, muss es sich zu einem Konsolidierungsprogramm verpflichten.
Die Koalition in Wien steuert damit auf einen Konflikt zu. Denn während ÖVP-Chef Michael Spindelegger für das rigorose Sparen und den Fiskalpakt eintritt, zeigt sich die SPÖ skeptisch bis ablehnend. Auch innerhalb der Kanzlerpartei gibt es unterschiedliche Meinungen: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist genauso wie Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller für eine Verschiebung der Abstimmung im österreichischen Nationalrat, die noch vor der Sommerpause geplant ist. Man sollte vorher die Entscheidung über den Fiskalpakt auf europäischer Ebene abwarten, sagte Prammer. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar plädierte in den „Salzburger Nachrichten“ dafür, dass sich Österreich mit der parlamentarischen Ratifizierung des Fiskalpakts noch Zeit lassen solle.

Klubobmann Josef Cap fordert inzwischen – wie Hollande – eine stärkere Ausrichtung auf Wachstum und Beschäftigung. Dies stelle keinen Widerspruch zum Sparkurs in Europas Schuldenländern dar. Eine ausschließliche Fokussierung auf gleichzeitiges Sparen und staatliche Ausgabenkürzungen sei hingegen wachstumshemmend. „Jedenfalls werden wir den Fiskalpakt einer ausführlichen Behandlung und Diskussion im Parlament unterziehen“, sagte Cap am Dienstag.

SPÖ-OÖ gegen Stabilitätspakt

Eine extremere Position vertritt die oberösterreichische SPÖ: Man sei gegen den Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin, da er vor allem die Fragen der Beschäftigung und des Wirtschaftswachstums zu wenig berücksichtige, sagt Landeshauptmannstellvertreter Josef Ackerl. Er wich gestern auch in einer anderen Sache von der Parteilinie ab: In den „Oberösterreichischen Nachrichten“ drohte Ackerl, dem erst vor zwei Wochen unterzeichneten innerösterreichischen Stabilitätspakt die Zustimmung zu verweigern. Sollte es etwa zu keiner Aufstockung des Pflegefonds kommen, werden die oberösterreichischen SPÖ-Abgeordneten im Nationalrat dem Pakt nicht zustimmen.

Auf Bundesebene sorgte aber vorerst weiter der Fiskalpakt für Zündstoff: Denn Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) blieb am Dienstag nach dem Ministerrat bei seiner Meinung: „Wir dürfen den Fiskalpakt nicht infrage stellen.“ Man habe ihn monatelang diskutiert – für ein Aufschnüren sei kein Platz. In dem Punkt, den Fiskalpakt um einen Wachstumspakt zu erweitern, sieht Spindelegger immerhin „Konsensmöglichkeiten“.

Diesmal trat er ohne Kanzler Faymann auf, der sich auf dem Rückflug vom Nato-Gipfel befand. Daher konnte Spindelegger ungestört den Stimmen aus der SPÖ gegen strengere Kontrollen von Defizitsündern in der EU widersprechen. Die Abstimmung im Nationalrat solle, wie geplant, noch vor der Sommerpause stattfinden, ließ er der „Presse“ ausrichten – entweder Mitte Juni oder Anfang Juli.

Grüne: Bedingungen für ESM

Probleme hat die Koalition auch beim Euro-Rettungsfonds ESM, der Anfang Juli an den Start gehen soll. Dafür ist die Zustimmung einer Oppositionspartei nötig. FPÖ und BZÖ haben dies bereits ausgeschlossen.

Die Grünen wollen erst zustimmen, wenn „konkrete Pläne“ zu Eurobonds und Finanztransaktionssteuer vorliegen. Außerdem wollen sie mehr Mitbestimmung bei EU-Themen. Der Termin am 1. Juli sei daher nicht haltbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2012)

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