Volksanwältin Brinek (ÖVP) versteht nicht, warum ihre Parteikollegin Beanstandungen der Volksanwaltschaft leugnet. Auch die Sozialarbeiter widersprechen der Justizministerin.
Die angespannte Personalsituation und die volle Belegung der Gefängnisse führen laut Volksanwaltschaft zu unzumutbaren "Einschlusszeiten" auch jugendlicher Häftlinge in Strafanstalten. Das hielt ÖVP-Volksanwältin Gertrude Brinek am Donnerstag in einer Aussendung fest, in der sie auch ankündigte, die Prüfung Prüfung der Justizanstalt Josefstadt in Wien intensivieren zu wollen. Dort war ein 14-jähriger U-Häftling von Zellengenossen vergewaltigt worden. Woraus das Justizministerium schließe, dass es keine entsprechenden Beanstandungen gegeben habe, entziehe sich ihrer Kenntnis, so Brinek.
Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hatte am Mittwoch dementiert, dass die Volksanwaltschaft bei einer Kontrolle im November 2012 gravierende Missstände festgestellt habe. Brinek wies nun darauf hin, dass in Justizanstalten Beschäftigungsmöglichkeiten nicht in erforderlichem Umfang angeboten würden und Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt seien. In einer Stellungnahme zu dem im Jänner eingeleiteten Prüfverfahren habe das Ministerium die Probleme bereits Ende Mai bestätigt.
"In Fortführung unserer Prüftätigkeit sowie aus aktuellem Anlass wird die Volksanwaltschaft ihre präventive und nachprüfende Kontrolle des Strafvollzugs vertiefen und Vollzugsdetails wie beispielsweise die Dienstpläne und Beschäftigungsprogramme konsequent untersuchen", erklärte Brinek.
Offener Brief der Sozialarbeiter
Nach ihrem umstrittenen Auftritt bei Armin Wolf in der "ZiB 2" (DiePresse.com berichtete) äußerte auch der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen Kritik an der Justizministerin. In einem offenen Brief geht der Verband hart ins Gericht mit der "beschämenden Stellungnahme" der Ministerin, "die sich viele, die im Justizsystem arbeiten und von Ihnen vertreten wurden, nicht verdient haben." In dem Brief kritisieren die Sozialarbeiter inhaltliche Irrtümer oder Ungenauigkeiten der Ministerin - unter anderem, dass Karl in der Sendung Strafhaft und Untersuchungshaft in einen Topf geworfen hat.
Die Ministerin habe auch nicht erwähnt, dass nur deshalb 20 anstatt 100 Jugendliche in dem Gefängnis einsitzen, da nach einem früheren Vorfall Jugendliche aus Sicherheitsgründen in ein anderes Gefängnis verlegt worden sind. "Es hat sich in der JA Josefstadt also nicht wirklich etwas verändert", hieß es am Donnerstag in einer Aussendung. "Sich in aller Öffentlichkeit zu weigern, sich bei dem jugendlichen Opfer zu entschuldigen und nicht einmal Therapie anzubieten (frau muß nicht mit Geld umherwerfen!), das ist besonders bemerkenswert", schreibt der Berufsverband.
Jugendrichterin sieht Entschädigungsanspruch
Dass dem misshandelten 14-Jährigen eine Entschädigung zusteht, glaubt die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig: "Er war in der Obsorge der Justiz", sagte Matschnig am Donnerstag gegenüber der Austria Presse Agentur. Österreich würde in der Causa wahrscheinlich auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt werden.
Bisher wurde allerdings kein derartiger Fall in Österreich durchjudiziert. "Die Betroffenen kommen nicht auf die Idee", sagte Matschnig. Dem 14-jährigen Opfer der Misshandlungen riet die Jugendrichterin eine entsprechende Klage einzubringen: "Er sollte es unbedingt probieren".
Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser sprach sich ebenfalls für eine Entschädigung aus. "Selbstverständlich wollen wir alles tun, damit der Betroffene eine Entschädigung erhält", sagte er in einer Aussendung.
(APA/Red.)