Reinhold Messner: "Man kann es nicht rechtfertigen"

Reinhold Messner kann nicht
Reinhold Messner kann nicht(c) Dapd (Joern Haufe)
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Ein neuer Film erklärt Reinhold Messner. Mit der "Presse" spricht er über seine Brüder, seine privat bleibende Familie und neue Ziele. Er "erzieht" seine Kinder nicht, sagt er.

Das Treffen mit Reinhold Messner findet in der Berggasse statt. Das passt nicht nur wegen des Namens gut. Auch, weil es Freuds Wohn- und Arbeitsadresse war – und das Filmporträt, anlässlich dessen Messner spricht, eine Art Psychogramm des Bergsteigers geworden ist. Ein bildgewaltiges, von Bob-Dylan-Songs untermaltes Werk, in dem auch jener von Messners Brüdern zu Wort kommt, der Psychotherapeut geworden ist.

Rein rational kommt man da freilich nicht weit. Etwa, wenn es um die Lebensgefahr geht, der sich ein Extrembergsteiger aussetzt. Da mag unweit der Berggasse gerade ein Unfall passiert sein. „Aber allein aus meinem Bekanntenkreis sind 50 Leute auf dem Berg umgekommen und keiner im Auto. Das sagt im Grunde alles“, sagt Messner, während der Verkehr am Caféfenster vorbeirauscht. „Das ist auch der Grund, warum das extreme Bergsteigen im Grunde nicht vor der engeren Familie zu rechtfertigen ist.“

Warum es trotzdem „so kommen musste“, die Flucht aus dem Südtiroler Heimattal hinauf in den Freiraum der Berge, das zeige der Film ganz gut, findet er – vor allem, weil es erzählerisch passiert. Wie er es mit den Frauen in seinem Leben, angefangen von seiner Mutter, ausgehandelt hat, die seine Leidenschaft immer mitgetragen haben, weniger. „Auch“, sagt der 68-Jährige, „weil sich meine Frau weigert, sich und die Kinder an die Öffentlichkeit zu zerren, nur weil ich Bergsteiger bin.“

Dass man der öffentlichen Figur, dem Abenteurer, der als Erster den Mount Everest ohne Sauerstoff bestieg, auch heute nicht immer wohlgesinnt ist, zeigt ein aktueller Brief, den er bekam, und der ihm vorwarf, „wieder zu manipulieren und nur meine Akademikerbrüder zu zeigen“. Dabei, sagt Messner, seien nicht nur jene drei, die befragt wurden, Akademiker (darunter der Älteste, der die „Ursituation“ am besten kenne, ein Arzt, der Reinhold Messner auf extremen Touren begleitet hat, und eben der Psychotherapeut). „Sondern auch die anderen zwei, die noch leben. Der eine ist Mathematiker, der andere Tierarzt.“

Wie er sich den Erfolg der Messner-Kinder erklärt? „Weil wir alle aus dieser Enge rausmussten. Und weil unsere Mutter Wert darauf gelegt hat, dass wir alle etwas werden, schulmäßig, weil wir keinen Rückhalt hatten. Wir hatten ja keinen Bauernhof.“ Am meisten überrascht hätten ihn übrigens die Aussagen des ältesten Bruders. „Ich habe bei ihm Dinge gehört, die er früher anders gesehen oder gesagt hätte. Weil er lange Zeit nicht bereit war, aus einer größeren Distanz auf die Enge unserer Kindheit zu schauen. Vor fünf Jahren noch hätte er gesagt, das geht niemanden etwas an.“


Welchen Einfluss seine Kindheit auf seine eigene Familie, die Erziehung seiner Kinder habe? Er erziehe seine Kinder nicht, sagt Messner. Nicht nur, weil er den Ausdruck nicht möge – „bei uns leben die Kinder und haben Grenzen, umso mehr, je jünger sie sind“. Sondern auch, weil er die Aufgabe seiner Frau übertragen hat. Schon in seiner Kindheit habe er nur in einem gespielten Patriarchat gelebt. „In Wirklichkeit war es ein Matriarchat.“ Das er später in anderen Kulturen schätzen gelernt habe. „Meine Frau hat die Verantwortung für das Familienmanagement.“

Gemeinsam unternehme man jährlich Reisen, immer mit Berg, mit seiner Frau aber auch gern „auf dem Schiff in die Südsee, weil sie das mag“. Mit seinem ältesten Sohn gehe er klettern, „er klettert sehr gut, so, wie die Sportler heute klettern“. Noch ist er mit der Gestaltung seiner fünf Museen beschäftigt, „aber das will ich in spätestens zwei Jahren abgeben“. Er werde weiter Bücher schreiben, „präventiv gegen Alzheimer“. Und sich 2014, mit 70, eine neue Aufgabe suchen. „Etwas, bei dem ich wieder etwas erfinden und das ich neu aufbauen kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2012)

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