Ratings im Osten „starr und überholt“

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Investoren bewerten Osteuropa besser als die Ratingagenturen. Trotz schlechterer Bewertungen können sich Ungarn und Kroatien billiger Geld aufnehmen als etwa Portugal.

Wien/Auer. Vor zwei Jahren waren sie der Schrecken vieler osteuropäischer Staaten: Kaum ein Land aus der einstigen Boom-Region, dessen Zahlungsfähigkeit damals nicht von den drei großen Ratingagenturen herabgestuft wurde. Der Aufschwung endete abrupt. Etliche Länder brauchten Milliardenkredite, um den Bankrott zu vermeiden. Investoren zogen ihr Geld in großem Stil ab.

Mittlerweile hat sich vieles relativiert: Kein Land Mittelosteuropas ging pleite. Die meisten rechnen wieder mit einem (geringen) Wirtschaftswachstum, konnten ihre Leistungsbilanzen verbessern und weisen eine deutlich geringere Staatsverschuldung auf als viele westeuropäische Länder.

Und die Ratingagenturen? Die sind, so scheint es, mit den Euro-Sorgenkindern Griechenland, Irland, Spanien und Portugal derart beschäftigt, dass sie die meisten osteuropäischen Länder auf ihren schlechten Ratings sitzen lassen.

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Billiges Geld trotz miesen Ratings

Die Analysen der Ratingagenturen sind „starr und überholt“, sagt Jurai Kotian, Analyst der Erste Bank. Das zeigt ein Blick auf die Märkte: Die ignorieren nämlich zusehends, was die „Bewerter“ zu sagen haben. So stellen die Ratingagenturen den südeuropäischen Euro-Schuldenstaaten etwa ein besseres Zeugnis aus als vielen osteuropäischen Ländern. Jene, die nicht nur beurteilen, sondern auch ihr Geld in Staatsanleihen stecken, sehen das offenbar anders (siehe Grafik).

Die Preise der Credit Default Swaps (CDS), mit denen sich Investoren gegen einen Ausfall der Papiere absichern, sind bei Anleihen aus Osteuropa deutlich niedriger als etwa bei Portugal, Spanien oder Italien. So müsste ein Investor jährlich 5570 Euro bezahlen, um sich gegen den Ausfall einer 100.000-Euro-Anleihe aus Portugal abzusichern. Bei einer kroatischen oder ungarischen Staatsanleihe mit gleichem Volumen reichen 2600 Euro aus. Dabei rangieren Kroatien und Ungarn bei den Ratingagenturen gerade noch am unteren Ende des „Investment Grade“. Fallen sie noch eine Stufe weiter, müssten sich große US-Fonds von Staatsanleihen dieser Länder trennen. Portugal hingegen ist bis zu vier Stufen besser bewertet.

Stellt sich die Frage, ob und wann die Ratingagenturen dem Markt nachlaufen werden. Ökonomen versichern, dass die meisten Länder der Region die Talsohle hinter sich gelassen hätten. Auch die Investoren kämen mittlerweile langsam zurück, schätzt Kotian. Nachdem die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) nach Mittelosteuropa 2009 um 45 Prozent gefallen waren, sind sie im Vorjahr wieder um immerhin neun Prozent gestiegen. In Tschechien haben sich die Zuflüsse sogar verdoppelt. Auch beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (Wiiw) sieht man bei manchen Ländern wieder Anlass zur Hoffnung. Tschechien und Polen hätten etwa bereits heuer wieder die Chance, so viel Geld anzuziehen wie vor der Krise.

Neubewertung zu Jahresende

Die Ratingagenturen werden aber erst zu Jahresende ihre Bewertungen nachbessern, erwartet Kotian. Viele Länder hätten tiefgreifende Strukturreformen hinter sich. Die Agenturen würden vermutlich abwarten, ob diese auch greifen.

Erste positive Resonanz gibt es auch von ihnen bereits. Während Ungarns Premierminister Viktor Orbán bei seinem Amtsantritt im Sommer 2010 von den Ratingagenturen noch mit einer schallenden Ohrfeige begrüßt wurde, verhielten sie sich nach der Präsentation der Reformpläne im März zumindest ruhig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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