Mehr Muslime: Die große Islam-Inventur

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Über die genaue Anzahl der Muslime gibt es keine aktuellen Daten. Selbst die Islamische Glaubensgemeinschaft weiß nicht, wie viele Mitglieder sie hat – und wie viele Moscheen mit Minaretten es gibt.

Minarette, von denen nicht einmal die Islamische Glaubensgemeinschaft etwas weiß, Spekulationen über die Zahl der Muslime, die es in Österreich gibt – bei Zahlenmaterial zum Thema Islam gibt es einige unbekannte Faktoren. Warum das so ist und mit welchen Zahlen man sinnvoll operieren kann.

400.000 Muslime in Österreich

Wie viele Muslime es derzeit in Österreich gibt, weiß man nicht so genau. Die letzten gesicherten Zahlen stammen aus der Volkszählung 2001. Damals wurden 338.998 Menschen mit muslimischem Glauben gezählt, was rund 4,2 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Der Großteil davon lebt in Wien (121.149), gefolgt von Oberösterreich (55.581) und Niederösterreich (48.730). In der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) geht man derzeit von rund 400.000 Muslimen aus, andere Schätzungen sprechen von bis zu 500.000. Mit der Neuwahl in der IGGiÖ, die 2010 stattfinden soll, ist auch eine Registrierung aller Muslime geplant. Säkulare Muslime, die sich nicht registrieren lassen, werden dabei aber nicht erfasst. Klar ist aber, dass der Anteil der Moslems an der Gesamtbevölkerung steigt. Eine Studie des Instituts für Demografie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) prognostiziert für das Jahr 2051 den Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung – je nach Höhe der Zuwanderung und Zahl der Kinder – zwischen 14 und 18 Prozent. Im extremsten und laut ÖAW kaum realistischen Szenario könnten es 26 Prozent sein.

50.000 Schüler im Religionsunterricht

In Österreichs Schulen besuchen rund 50.000 Schüler den islamischen Religionsunterricht. Die Glaubensinhalte werden ihnen dabei von rund 400 islamischen Religionslehrern vermittelt. Insgesamt sind derzeit 7,4Prozent der Schüler Muslime. Laut ÖAW-Studie könnten die muslimischen Schüler zur Jahrhundertmitte die größte Gruppe sein. Je nach Szenario könnte dann jeder dritte oder sogar jeder zweite Besucher einer Pflichtschule Moslem sein.

200 Moscheen und Gebetsräume

Rund 260 Standorte muslimischer Aktivitäten gibt es laut IGGiÖ derzeit in Österreich. Davon sollen etwa 200 Gebetsräume sein, in denen ein gemeinsames Freitagsgebet abgehalten wird. Selbst in der offiziellen Vertretung der österreichischen Muslime kann man keine genauere Zahl der Gebetseinrichtungen nennen, denn ein zentrales Register, in dem sämtliche Moscheen verzeichnet sind, wird nicht geführt. Das liegt unter anderem daran, dass die Glaubensgemeinschaft selbst nicht als Moscheebauer auftritt, sondern die Gebetshäuser von Vereinen errichtet oder eingerichtet werden, die das dann der IGGiÖ melden – oder eben nicht. Der überwiegende Teil dieser Moscheen ist allerdings von außen nicht zu erkennen. Die meisten Einrichtungen sind in Privatwohnungen, alten Geschäftslokalen, Fabriken oder Kellern untergebracht. Im Gegensatz zu Kirchen dienen diese Räume nicht nur dem Gebet, sondern werden auch für andere Veranstaltungen des jeweiligen Moscheevereins verwendet.

5 Minarette in Österreich

Die Minarettdebatte nach der Schweizer Volksabstimmung hat in Österreich für eine wundersame Vermehrung der Gebetstürme geführt. Ging man bis vor kurzem noch davon aus, dass es drei Moscheen mit Minaretten im Land gibt, hält man nun schon bei fünf Einrichtungen mit Gebetsturm. Bekannt waren bislang die Moschee am Hubertusdamm in Wien, die 1979 im osmanischen Stil errichtet wurde, das Minarett im Tiroler Telfs, das 2007 fertiggestellt wurde und seit Herbst 2009 das Kulturzentrum in Bad Vöslau, das zwei dezent angedeutete Minarette im Innenhof beherbergt. Kaum beachtet von der Öffentlichkeit steht allerdings auch ein acht Meter hohes Minarett in Saalfelden, das 2003 ohne öffentliches Aufsehen errichtet wurde. Nicht einmal die Islamische Glaubensgemeinschaft wusste davon. Schließlich findet sich seit 2002 auch noch in Innsbruck ein von Kindern aus Holz errichtetes Minarett, das im Rahmen einer katholischen Aktion erbaut wurde – auf einem Grundstück der Diözese (s. Bericht unten). Je nach Zählart gibt es also vier (Wien, Telfs, Bad Vöslau, Saalfelden), fünf (Bad Vöslau mit zwei Minaretten doppelt gezählt) oder sogar (mit dem Gebetsturm in Innsbruck) sechs Minarette.

1 Islamischer Friedhof

Neben den wenigen äußerlich erkennbaren Gebetsräumen gibt es mittlerweile auch noch weitere Infrastruktur des islamischen Lebens. Im Oktober 2008 wurde in Wien-Liesing der erste Islamische Friedhof des Landes eröffnet. Auf dem 3,45 Hektar großen Gelände sollen bis zu 5000 Verstorbene Platz finden. Und im Juli 2010 erfolgt in Altach in Vorarlberg der Spatenstich für den zweiten islamischen Friedhof Österreichs. Bisher wurden Muslime auf gemischtkonfessionellen Friedhöfen – auf dem Wiener Zentralfriedhof in einer eigenen Abteilung – begraben, oder sie ließen sich zur Bestattung in ihre alten Heimatländer bringen. Einrichtungen wie diese sollen auch zeigen, dass sich die Muslime zu Österreich als Heimat bekennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2009)

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