In Wien mit Mozart, daheim vor Gericht

Fazil Say
Fazil SayClemens Fabry
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Fazil Say (42), prominenter Pianist, ist in der Türkei wegen Herabwürdigung religiöser Lehren angeklagt.

Mit den Wiener Symphonikern unter Simone Young musiziert der türkische Pianist Fazil Say morgen, Freitag, im Wiener Musikverein. Auf dem Programm steht Mozarts Klavierkonzert KV 488, eines der schönsten Werke der Gattung – mit einem melancholischen Mittelsatz, der vielleicht am ehesten zur Gemütsverfassung des Solisten passt.

Der ist derzeit nämlich in seiner Heimat angeklagt und muss sich im kommenden Februar wieder dem Gericht stellen. „Hass und Feindseligkeit in der Öffentlichkeit“ gesät zu haben, wirft der Staatsanwalt dem Künstler vor, vor allem aber „Herabwürdigung religiöser Lehren“. Man bezieht sich dabei auf Kommentare, die Say auf Twitter veröffentlicht und damit Muslime beleidigt haben soll.

International hat die Anklage Empörung hervorgerufen. Auch der Geschäftsführer der Wiener Symphoniker, Johannes Neubert, äußert sich entsprechend kritisch: Die freie Religionsausübung sei zwar ein hohes Gut, so Neubert, doch dürfe die freie Meinungsäußerung „nicht zum Vorwurf eines schweren Verbrechens“ führen. Fazil Say drohen im Fall einer Verturteilung bis zu 18 Monate Haft. Mehr als 100 deutsche Bundestagsabgeordnete haben eine Protestnote gegen den Prozess unterzeichnet.

Dem internationalen Publikum wurde Say bekannt, als er Mitte der Neunzigerjahre eine CD mit einer eigenen, virtuosen Klavierbearbeitung von Strawinskys „Sacre du Printemts“ herausbrachte. Seither tourt der 1970 in Ankara geborene Pianist solistisch, vor allem aber auch als Kammermusikpartner bedeutender Kollegen wie Maxim Vengerov oder Shlomo Mintz durch die wichtigsten Konzertsäle der Welt. SIN

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2012)

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