Studie: „Rauchen macht nur Kosten“

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Nikotinsüchtige arbeiten kürzer und sterben früher. Das kostet Österreich mehr als 500 Mio. Euro pro Jahr und bestärkt die Forderung nach dem Rauchverbot in Gaststätten.

WIEN (go). Wenn Raucher ihre Sucht zu verteidigen versuchen, bedienen sie sich oft folgender Behauptung: Rauchen sei eine volkswirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit, weil Raucher Tabaksteuer bezahlten und das Pensionssystem durch ihren frühen Tod entlasteten.

Eine neue Untersuchung des Wiener Instituts für Höhere Studien (IHS) verweist diese Behauptung vom ökonomisch nützlichen Rauchen ins Reich der Mythen. „Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Rauchen verursacht der Gesellschaft unterm Strich nur Kosten“, sagte Markus Pock, einer der Studienautoren, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz.

Das IHS hat auf Basis von Kennzahlen des Jahres 2003 eine volkswirtschaftliche Bilanz des Rauchens erstellt (siehe Grafik). Ihr zufolge verursacht die Nikotinabhängigkeit einen jährlichen Schaden von rund 511,4 Mio. Euro. Fast ein Viertel davon (genau: 118,6 Mio. Euro) geht auf das Passivrauchen zurück. Jeder zehnte Nichtraucher ist zu Hause Rauch ausgesetzt, am Arbeitsplatz betrifft das fast ein Viertel aller Erwerbstätigen – und 69 Prozent der Kellner, Barkeeper und Köche.

„Nur untere Grenze der Kosten“

Die größten Kosten verursacht das Rauchen in Österreich dadurch, dass Nikotinsüchtige nicht nur um durchschnittlich fünf Jahre kürzer leben, sondern öfter in Krankenstand gehen und häufiger invalid werden. Rund 1,433 Mrd. Euro kostet die verminderte Arbeitsleistung der österreichischer Raucher laut IHS.

Wobei das Rauchen zahlreiche weitere Kosten verursacht, die man nur schwer in Zahlen fassen kann. Das fängt beim Autounfall an, der durch die herabfallende Zigarette des Fahrers verursacht wird, und hört bei der unbezahlten Zeit auf, die Angehörige erkrankter Raucher in Spitalswartezimmern verbringen. „Das ist nur die untere Grenze der Kosten“, sagte IHS-Leiter Bernhard Felderer. Die Studie sei jedenfalls eine gute Grundlage, um ernsthaft über ein Rauchverbot in Österreichs Gaststätten zu reden. „Wenn man liberal ist, muss man auch die Kosten sehen. Der Raucher entscheidet ja nicht nur für sich selbst.“

Pfizer finanzierte Studie

Die Studie wurde vom weltgrößten Arzneimittelhersteller Pfizer bezahlt. Der US-Konzern erzielte im vergangenen Jahr 883 Mio. Dollar (561 Mio. Euro) Umsatzerlöse mit „Chantix“, das beim Abgewöhnen des Rauchens hilft, indem es die Entzugserscheinungen lindert.

Im Februar warnte die US-Arzneimittelbehörde FDA davor, dass „Chantix“ das Risiko psychischer Störungen erhöhen könne, nachdem 39 Patienten Selbstmord begangen hatten. Zu diesem Zeitpunkt war das Mittel in den USA bereits fünf Millionen Mal verschrieben worden. „Ein kausaler Zusammenhang konnte nicht festgestellt werden. Wir können ihn aber auch nicht ausschließen“, sagte damals Ponni Subbiah, die im Konzernvorstand für medizinische Belange zuständig ist, zur Nachrichtenagentur Reuters. Seither warnt der Beipackzettel vor Selbstmordgedanken und Gemütsschwankungen, die „Chantix“ verursachen kann.

In Österreich ist das Mittel seit Februar 2007 als „Champix“ zugelassen, sagte ein Sprecherin von Pfizer Österreich zur „Presse“.

(c) Die Presse / HR

AUF EINEN BLICK

Was kostet das Rauchen? Diese Frage hat das Institut für Höhere Studien (IHS) erörtert.

Den Einnahmen aus der Tabaksteuer und Ersparnissen bei den Alterspensionen steht ein großer volkswirtschaftlicher Schaden gegenüber, weil Raucher weniger lang arbeiten als Nichtraucher.

Ein Rauchverbot in Gaststätten sollte landesweit eingeführt werden, meint das IHS. Überlässt man diese Entscheidung nämlich den Wirten, entsteht ein „Fleckerlteppich“ wie in den USA. Und dann fahren Raucher deutlich öfter betrunken mit dem Auto, wie eine US-Studie zeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2008)


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