Zukunftsvision: Autos aus Bulgarien

(c) AP (Petko Momchilov)
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Ein Millionär will in Lowetsch billige Jeeps nach chinesischer Lizenz herstellen.

SOFIA. Der Traum von einer nationalen Autoproduktion ist in Bulgarien ein wiederkehrendes Thema mit Variationen. Bereits Mitte der 60er Jahren wurde in dem Balkanland der sogenannte „Bulgarrenault“ produziert. Dies erwies sich als nicht sehr erfolgreich und wurde 1970 eingestellt.

2003 kündigte der in Frankreich lebende Entwicklungsingenieur Rumen Antonov an, in Bulgarien ein Luxusauto produzieren zu wollen, das einen bulgarischen Frauennamen tragen sollte. Die Pläne zerschlugen sich, weil Antonov keine Geldgeber fand. Und im Februar 2007 präsentierten Studenten der Technischen Universität Sofia der Öffentlichkeit einen von ihnen mit Unterstützung des DaimlerChrysler-Konzerns entwickelten Prototyp eines Kleinwagens. Für ihren „Universe“ ernteten sie weithin Anerkennung, gewannen aber keine Partner für eine Serienfertigung.

So blieb den Bulgaren in den letzten Jahren nur der neidvolle Blick über die Donau zum Nachbarn Rumänien, wo die Renault-Gruppe in der südrumänischen Stadt Mioveni mit Erfolg den Kleinwagen Dacia produziert.

2000 Arbeitsplätze für Lowetsch

Nun könnte der Traum von „Autos made in BG“ in Erfüllung gehen. Der prominente und umstrittene Unternehmer Grischa Gantschev hat mit dem Finanzinstitut Korporativna Targovska Banka (KTB) das Unternehmen Litex Motors gegründet. Dieses soll Autos und Motorräder nach Lizenz des deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunternehmens BMW Brilliance Automotive entwickeln und herstellen.

Gantschevs Firma Litex Commerce soll laut Medienberichten 92 Prozent, KTB acht Prozent der Anteile an Litex Motors halten. Die Stadt Lowetsch soll ein geeignetes Grundstück für die Autofabrik zur Verfügung stellen. In zwei Jahren sollen zweitausend Beschäftigte in dem Werk preisgünstige Jeeps für die Absatzmärkte Bulgarien und seine südosteuropäischen Nachbarstaaten wie Griechenland und Rumänien fertigen.

Einhergehend mit dem robusten Wirtschaftswachstum Bulgariens entwickelte sich dessen Automarkt zuletzt sehr dynamisch. So stieg der Absatz 2006 um 29,7 Prozent, 2007 um 14,6 Prozent.

Skeptiker beurteilen die Pläne Gantschevs zurückhaltend. Sie kritisieren, das Startkapital von Litex Motors in Höhe von knapp 10 Mio. Euro sei für die Etablierung einer Autofabrik nicht gerade üppig. Zudem weisen sie auf die nicht besonders günstige Verkehrslage von Lowetsch in Zentral-Bulgarien hin. Dies könnte Materiallieferung und Abtransport der Autos erschweren.

Schillernder „Businessman“

Der 1962 in Lowetsch geborene Gantschev gehört zu Bulgariens schillernden Unternehmer-Persönlichkeiten, die im Volksmund nur „gut gekleidete Businessmen“ genannt werden. Er gründete 1990 das Unternehmen Litex Commerce und begann mit dem Handel von Brennstoffen, seit 1998 betreibt Litex auch 31 Shell-Tankstellen im Land. Inzwischen verfolgt Gantschev mit seiner Holding Geschäftsinteressen im Energiewesen, der Lebensmittelindustrie, dem Tourismus und in der Bauwirtschaft. Gegenwärtig realisiert er beim Dorf Topola nahe des Schwarzmeerhafens Baltschik um 100 Mio. Euro die Ferienhaussiedlung Topola Luxville.

Und wie es sich in Bulgarien für einen „gut gekleideten Businessman“ gehört, betätigt sich Gantschev auch als Sportförderer. Seit er Mitte der 90er Jahre die Mehrheit am lokalen Fußball-Erstligisten Litex Lowetsch erworben hat, feierte der Verein zwei Meisterschaftstitel und zwei Pokalsiege.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2008)

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