Serbien: Der „Clown von Milosevic“ steht vor Comeback

(c) EPA (Sasa Stankovic)
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Sozialistenchef Ivica Dacic wird im Koalitionspoker von Pro-Europäern und Nationalisten umworben.

BELGRAD (ros.) Der kleine Mann mit dem Kugelbauch ist in das Blitzlichtgewitter der Fotografen zurückgekehrt. Acht Jahre lang fristete Ivica Dacic nach dem Sturz seines Ziehvaters Slobodan Milosevic als Chef von Serbiens Sozialisten (SPS) im politischen Abseits ein von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenes Schattendasein. Doch nun buhlen sowohl Nationalisten als auch die pro-europäischen Demokraten (DS) um seine Huld: Der bisherige Paria ist nach den Parlamentswahlen unversehens zum Königsmacher – und umworbenen Wunschpartner avanciert.

Als „der Clown“ oder selbst „der Klon von Milosevic“ wurde der heutige SPS-Chef in der Ära des 2006 im Gefängnis des UN-Tribunals verstorbenen Autokraten von seinen Gegnern verschmäht. Nicht nur die Gestik, sondern selbst die Frisur seines großen Vorsitzenden pflegte „Klein-Slobo“ als SPS-Sprecher nachzuahmen. In Eiltempo und mit Bestnoten hatte der ehrgeizige Dacic sein Politik- und Journalistik-Studium abgeschlossen – und im Kriegsjahrzehnt der 90er-Jahre in der Partei eine Blitzkarriere hingelegt.

Rehabilitation und Pfründe

Damals galt der in Prizren (Kosovo) geborene Dacic als treue Stimme seines Herrn. Doch inzwischen hat sich der 42-Jährige als Parteichef von seinem verstorbenen Übervater frei geschwommen: Selbst in der Partei-Zentrale der SPS sind kaum mehr Porträts mit dem Antlitz des Ex-Präsidenten zu sichten.

Zu seiner Vita würde ein Bündnis mit den nationalistischen Radikalen (SRS) und der sich inzwischen nicht minder patriotisch gebenden DSS von Premier Vojislav Kostunica sicherlich besser passen als eine Koalition mit seinen einstigen Gegnern der DS: Als SPS-Sprecher hatte Dacic die aggressive Kriegspolitik von Milosevic jahrelang wortreich verteidigt, Massaker und Wahlfälschungen bagatellisiert, die damalige Opposition verhöhnt.

Doch obwohl auch die Wahlklientel der SPS eher mit den Radikalen als den Demokraten sympathisiert und Dacic bereits erste Koalitionsgespräche mit Kostunica aufgenommen hat, gilt dessen Koalitionsentscheidung als völlig offen. Der Grund: Ein Bündnis mit der pro-europäischen DS könnte der SPS nicht nur dauerhaftere Pfründe, sondern auch die ersehnte Rehabilitation in der internationalen Arena bescheren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2008)

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