US-Wahl: Das Buhlen um die Stimmen auf der Calle Ocho

(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Bei der Vorwahl in Florida rückten die Latinos ins Zentrum der Wahlstrategen. Vor vier Jahren sicherte sich Barack Obama eine Mehrheit, die Exilkubaner in Miami votieren treu republikanisch.

Miami. Auf der Calle Ocho schlägt der Puls von „Little Havanna“. Unweit der glitzernden Skyline von Downtown Miami erstreckt sich, entlang der „achten Straße“, das kubanische „Ghetto“ der Metropole Floridas. Längst zieht Miami Emigranten aus ganz Südamerika an, die Exilkubaner machten in den 1960er-Jahren aber den Anfang.

In Little Havanna erinnert wenig an die dekadente Pracht der kubanischen Hauptstadt, aber auch wenig an deren Verfall. Die Lingua franca, die Verkehrssprache, ist Spanisch. Die Straßen sind nach Revolutionshelden wie Simón Bolívar benannt, das Viertel verströmt karibisches Flair. Salsa und Latino-Rhythmen diktieren nicht nur im Nachtklub „El Caribe“ den Takt. An der Calle Ocho reihen sich billige Cafés, Fastfood-Restaurants und edle Zigarrenläden.

Vor dem „Versailles“ pafft Bernardo Diaz eine Cohiba, eingeschmuggelt aus dem Mutterland. Er ist noch unschlüssig, wem er heute bei der Vorwahl der Republikaner seine Stimme geben soll. Sein Kopf sagt Mitt Romney. Für ihn spricht, dass er bei der Wahl im Herbst wohl die besten Chancen haben wird, Barack Obama zu schlagen, sinniert Diaz. Doch sein Herz schlägt für Newt Gingrich. Dessen harte Position in der Kuba-Politik imponiert ihm.

„Kubanischer Frühling“

Gingrich hat eine psychologische Kriegsführung gegen das Castro-Regime in Aussicht gestellt, er hat eine Militärintervention suggeriert. Warum sollten die USA nicht auf der Zuckerinsel eingreifen, wenn sie doch auch in Libyen die jahrzehntelange Tyrannei eines Revolutions-Desperados beendet haben, fragt er forsch. Und fabuliert vom „kubanischen Frühling“.

Dabei sprach sich Gingrich vor einem Jahr noch vehement gegen einen US-Einsatz in Libyen aus, obwohl er kaum 48Stunden zuvor das Gegenteil gefordert hatte. Einerlei, Bernardo Diaz geht es vor allem um eine Abwahl Barack Obamas. Sowohl Gingrich als auch Romney geißeln den Präsidenten für die Vernachlässigung Lateinamerikas, für die Ignoranz gegenüber dem US-Hinterhof.

Neulich erwies Gingrich bei einem Besuch im „Versailles“, einem Restaurant mit legendärem Ruf, der kubanischen Community seine Reverenz. Der strikte Antikommunismus hat die Exilkubaner zu einer Stammklientel der Republikaner gemacht. Bei der jüngeren Generation sind die Bande aber bei Weitem nicht mehr so fest, der Sturz Castros hat auch nicht unbedingt Priorität.

Gespalten bei Immigration

Latinos stellen in Florida mehr als 20Prozent der Bevölkerung, ein Drittel davon machen die Exilkubaner aus. Vor vier Jahren votierte eine Mehrheit der Hispanics in Florida für Obama. Während die Castro-Flüchtlinge die Frage der Immigration kaum tangiert – sie erhielten de facto automatisch die US-Staatsbürgerschaft –, stoßen sich Immigranten aus Mittel- und Südamerika wie Flora, eine aus Nicaragua stammende Studentin, an der restriktiven Politik Romneys. Dieser tritt für eine „Selbstabschiebung“ ein – eine völlig unrealistische Option. Gingrichs liberale Haltung findet mehr Widerhall: Er will illegalen Immigranten, die seit Jahren unbescholten in den USA leben, einen legalen Status einräumen.

Im Buhlen um die Gunst der Latinos schickten die Kandidaten ihre spanischsprachigen Kinder an die Front. Romney sicherte sich die Unterstützung prominenter Abgeordneter wie Ileana Ros-Lehtinen und des Gouverneurs von Puerto Rico, Gingrich die Dienste des Wahlkampfmanagers Marco Rubio. Der Neo-Senator, ein kubanischstämmiger Shootingstar, gilt als heißer Vizepräsidentschaftskandidat. Rubio und sein Mentor, Exgouverneur Jeb Bush, wahrten aber strikte Neutralität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2012)

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