Bei einem Treffen mit Islam-Vertretern in Berlin rief Benedikt XVI. zur Achtung des Grundgesetzes auf. In Erfurt traf er Vertreter der Protestanten, enttäuschte aber Hoffnungen auf schnelle Fortschritte in der Ökumene.
Der zweite Tag der viertägigen Papstvisite in Deutschland steht ganz im Zeichen des Treffens mit anderen Religionen: Nach einem Treffen mit Repräsentanten der jüdischen und muslimischen Gemeinde hat Papst Benedikt XVI. in Erfurt führende Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in jenem Augustinerkloster getroffen, in dem auch der Reformator Martin Luther gewohnt hat. Allerdings hat er die Erwartungen den Protestanten enttäuscht: Es werde keine schnellen Fortschritte in der Ökumene geben. Die stärkste ökumenische Kraft sei "der in einer säkularisierten Welt von innen gelebte Glaube, die uns zueinander führt, der Einheit in dem einen Herrn entgegen", so der Papst.
Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, hat im Vorfeld konkrete Schritte zu mehr Gemeinsamkeit beider Kirchen gefordert. Vor allem Gläubige in konfessionsverbindenden Ehen und Familien sehnten sich danach, dass die Kirchen ihren "Eigen-Sinn" überwinden. "Für uns alle wäre es ein Segen, ihnen in absehbarer Zeit eine von Einschränkungen freiere eucharistische Gemeinschaft zu ermöglichen", sagte Schneider.
Der Papst ging auf den Wunsch nach gemeinsamen Eucharistiefeiern von Katholiken und Protestanten nicht ein, sondern betonte in seiner Rede vor allem die gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung des Glaubens angesichts der weltweiten Ausbreitung von Freikirchen und Wunderpredigern. "Vor einer neuen Form von Christentum, die mit einer ungeheuren und in ihren Formen manchmal beängstigenden missionarischen Dynamik sich ausbreitet, stehen die klassischen Konfessionskirchen oft ratlos da."
"Ereignis selbst ist Botschaft"
Der oberste österreichische evangelische Bischof Michael Bünker zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Treffen und dem anschließenden ökumenischen Wortgottesdienst: Allein das "Ereignis selbst ist Botschaft". Schneider hat hingegen eine gemischte Bilanz des Treffens mit dem Papst gezogen. Er sei nicht zufrieden, weil weiter wichtige Fragen der Klärung bedürften. Der Ratsvorsitzende der EKD betonte aber auch, er sei zugleich zufrieden, weil es ein "sehr ernstes, tiefes und geschwisterliches" Treffen gewesen sei.
Die Beziehung zwischen Papst und den Protestanten wird durch das Dokument "Dominus Iesus" belastet, in dem Josef Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation die Vorrangstellung der katholischen Kirche betont und die Protestanten nicht als "Kirchen im eigentlichen Sinn" bezeichnet hat, sondern als "kirchliche Gemeinschaften" ohne gültigen Episkopat und gültige Eucharistie ein. Die Protestanten fühlten sich dadurch herabgewürdigt.
"Innere Verwandtschaft" mit Juden
Freundlich verlaufen sind hingegen die Begegnungen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde am Donnerstagabend und der Muslime am Freitagmorgen. Benedikt XVI. betonte die "innere Verwandtschaft" von Juden und Christen. Einmal mehr verurteilte der Papst die Judenvernichtung durch das "heidnische Symbol" Adolf Hitler.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte, die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten "ganz dramatisch verbessert". An Benedikt XVI. gewandt sagte Graumann, mit Freude und großer Erleichterung hätten die Juden in Deutschland auch die vom Papst formulierte Absage an jede Judenmission und "Ihre mehr als deutliche Zurückweisung des Jahrhunderte alten Vorwurfes des Gottesmords" aufgenommen. "Das hat uns allen gut getan."
Muslime als "Merkmal dieses Landes"
Beim Treffen mit Vertretern der muslimischen Gemeinde sagte der Papst am Freitagmorgen in Berlin: "Die Anwesenheit zahlreicher muslimischer Familien ist seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zunehmend ein Merkmal dieses Landes geworden." "Viele Muslime messen der religiösen Dimension des Lebens große Bedeutung bei", was "zuweilen als Provokation aufgefasst" werde, sagte der Papst. Auch in einer pluralistischen Gesellschaft sei die Religionszugehörigkeit aber von Bedeutung, sagte der Papst: "Die katholische Kirche setzt sich entschieden dafür ein, dass der öffentlichen Dimension der Religionszughörigkeit eine angemessene Anerkennung zuteilwird."
Dabei rief er zur Achtung des Grundgesetzes auf als "Grundlage des menschlichen Zusammenlebens". Der gegenseitige Respekt sei nur mit der Beachtung einiger unveräußerlicher Rechte möglich, sagte der Papst. Es müsse beständig daran gearbeitet werden, sich gegenseitig besser kennenzulernen und zu verstehen, so Benedikt XVI.
Vor einem Jahr hatte der deutsche Bundespräsident Christian Wulff gesagt, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland, und dafür neben Zustimmung auch Kritik geerntet.
Marianische Vesper in Wallfahrtskirche
Am Freitagabend will der Papst im Eichsfeld in der Wallfahrtskapelle Etzelsbach eine Marianische Vesper feiern. Zu dem Mariengebet werden etwa 50.000 Menschen erwartet. Das Eichsfeld war der bedeutendste katholische Landstrich in der DDR.
Benedikt XVI. war am Donnerstag zu einer viertägigen Deutschlandreise in Berlin eingetroffen. Unter anderem hielt er eine Rede vor dem Bundestag und feierte einen Gottesdienst mit Zehntausenden Besuchern im Berliner Olympiastadion. Für Benedikt XVI. ist die Reise der dritte Deutschlandbesuch seit seiner Wahl im Jahr 2005. Am Freitag will er noch nach Erfurt, am Samstag nach Freiburg weiterreisen.
Benedikt XVI. hat am Freitagabend in Erfurt überraschend Missbrauchsopfer getroffen. Der Kirche sei an der Aufarbeitung der Fälle gelegen, versicherte er.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.