NS-Verbrechen: Demjanjuks Auslieferung gestoppt

John Demjanjuk
John Demjanjuk(c) AP (Mark Duncan)
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Ein US-Berufungs-Gericht stoppt die Auslieferung des mutmaßliche Kriegsverbrechers John Demjanjuk im letzten Moment. Zuvor hatte es schon geheißen, er werde am Mittwoch in Deutschland ankommen.

Das juristische Tauziehen um die Auslieferung des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk geht weiter: Ein Berufungsgericht in den USA stoppte die Auslieferung nach Deutschland am Dienstag praktisch in letzter Sekunde bis auf weiteres, nur rund eine Stunde nachdem der 89-Jährige bereits von Beamten der Einwanderungsbehörden aus seinem Haus in Ohio weggebracht worden war.

Wie die US-Einwanderungsbehörde mitteilte, wurde der 89-Jährige aus dem Gewahrsam der Behörde entlassen. Demjanjuk kann demnach vorerst in sein Haus in Seven Hills nahe Cincinnati zurückkehren. Er soll dort wie bisher elektronisch überwacht werden. Sein Sohn John Demjanjuk Jr. hatte sich mit einem weiteren Antrag an das Gericht gewandt.

Demjanjuk würde "niemals vor Gericht kommen"

Sein Vater sei bei schlechter Gesundheit, könne nicht gehen und nicht reisen, sagte John Demjanjuk Jr. der Nachrichtenagentur AP. Demjanjuk war in einem Rollstuhl aus dem Haus gebracht und in Anwesenheit von Angehörigen in ein wartendes Fahrzeug gesetzt worden. Ein Arzt und eine Krankenschwester begleiteten die Beamten. Nach Angaben von Angehörigen wurde Demjanjuk in ein Gebäude der Bundesbehörden in Cleveland gebracht.

Demjanjuks Sohn kritisierte, die Beamten seien ohne vorherige Ankündigung und ohne einen versprochenen Rettungswagen vorgefahren. Sein Vater werde nicht mehr lang genug für einen Prozess in Deutschland leben, sagte John Demjanjuk Jr. telefonisch der AP. Er würde in ein Krankenhaus, aber "niemals vor Gericht kommen".

Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden

Die Münchner Staatsanwaltschaft will dem gebürtigen Ukrainer wegen Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden den Prozess machen. Demjanjuk soll 1943 als KZ-Aufseher im polnischen Vernichtungslager Sobibor Menschen von den Zügen in die Gaskammern getrieben haben. Er bestreitet das. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums in Berlin sagte, Demjanjuk werde "in den nächsten Tagen" in Deutschland erwartet.

Der Berufungsausschuss der US-Einwanderungsbehörde hatte am Karfreitag Demjanjuks Antrag abgelehnt, das Abschiebeverfahren neu aufzurollen. Sein Sohn hatte darauf Rechtsmittel beim US-Berufungsgericht in Ohio eingelegt. Pflichtverteidiger Maull sagte, aus den übermittelten Blutwerten Demjanjuks lasse sich keine Haft- oder Verhandlungsunfähigkeit ablesen. Dazu sei eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Eine von Demjanjuks Wahlverteidiger Ulrich Busch angekündigte Haftbeschwerde war am Dienstagmittag noch nicht beim Amtsgericht München eingegangen, wie eine Sprecherin sagte.

Demjanjuk war nach dem Krieg in einem bayerischen Flüchtlingslager untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert. Er erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihm später aberkannt wurde. 1986 lieferten ihn die USA an Israel aus, zwei Jahre später wurde er wegen Verbrechen im Vernichtungslager Treblinka als "Iwan der Schreckliche" zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof in Israel hob das Urteil jedoch 1993 auf, weil die Staatsanwaltschaft aus russischen Quellen erfahren hatte, dass möglicherweise eine Verwechslung vorliegt.

(Ag.)

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