Städtevergleich: Hohe Löhne, geringe Kaufkraft in Wien

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In Zürich können sich die Menschen am meisten leisten. In Wien sind die Nettoeinkommen hoch, dafür zählt die Stadt zu den teuersten weltweit. Weltweit liegen die Wiener mit ihren Bruttolöhnen an 19. Stelle.

Wien (ker).Wer will wenig arbeiten, viel verdienen, wenig Steuern zahlen und sich viel leisten können? Für jene, die sich ihre Stadt nach diesen Kriterien aussuchen, kommt Wien zumindest teilweise in Frage. Laut einer Studie der Schweizer Großbank UBS, in der weltweit 73 Großstädte untersucht wurden, liegen die Wiener mit ihren Bruttolöhnen an 19. Stelle.

Hohe Bruttolöhne bringen freilich wenig, wenn die Belastung durch Steuern und Abgaben zur Sozialversicherung sehr hoch ist. Zur Überraschung liegt Wien bei der Abgabenlast deutlich besser als viele andere Metropolen. Denn bei den Nettolöhnen verbessert sich die Bundeshauptstadt auf Rang 17. Anders ist das Bild etwa bei Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt werden weltweit die höchsten Bruttogehälter bezahlt. Davon wird aber dramatisch viel an Abgaben abgezogen. Daher schafft es Kopenhagen bei den Nettoeinkommen nicht einmal unter die Top fünf.

Wiener arbeiten relativ wenig

Bei der Lebensqualität geht es aber nicht nur ums Geld. Man muss auch Zeit haben, es ausgeben zu können. Davon haben die Leute hierzulande reichlich. Die Wiener arbeiten 1746 Stunden im Jahr. Nur in 13 anderen Städten wird weniger gearbeitet. Zum Vergleich: In Kairo (Ägypten) arbeiten die Menschen jährlich 2373 Stunden, in Paris (Frankreich) dagegen nur 1594 Stunden.

Die Wiener Medaille hat neben den hohen Gehältern und viel Freizeit auch eine Kehrseite. Die Stadt zählt zu den teuersten weltweit (achter Platz). Da die Waren und Dienstleistungen vergleichsweise teuer sind, können sich die Leute von ihrem verdienten Geld nicht mehr so viel leisten. Hinsichtlich der Kaufkraft fällt Wien daher auf den 24. Rang zurück.

Noch teurer als Wien sind New York, Oslo, Genf, Tokio und Zürich. Das ist das Ergebnis eines Warenkorbs von 122 Gütern und Dienstleistungen, deren Preise in allen Städten verglichen wurden.

In der Schweiz lebt man besten

Jene Menschen, die kürzlich nach London übersiedelt sind, dürfen sich freuen. Die Metropole war zuletzt die zweitteuerste der Welt. Aufgrund der Finanzkrise musste das Pfund zu anderen Währungen stark abwerten. Das drückt die Lebenshaltungskosten nach unten. Ähnlich erging es vielen anderen Städten. Durch Währungsabstürze ist das Leben in Mexico City oder Moskau im Vergleich zu westeuropäischen Ländern deutlich billiger geworden. In den Schweizer Metropolen Zürich und Genf zahlen die Einwohner für Waren und Dienstleistungen zwar um 20 Prozent mehr als in allen anderen westeuropäischen Städten, die Brutto- und Nettolöhne sind aber überproportional höher. Zürich ist daher weltweit die kaufkräftigste Stadt.

Auch die Einwohner aus Sydney können sich mit ihrem verdienten Geld relativ viel leisten. Die ehemalige australische Olympiastadt liegt bei der Kaufkraft an zweiter Stelle, gefolgt von Luxemburg und Dublin. Um den Unterschied zwischen den reichen und armen Städten zu verdeutlichen, verglich die UBS-Studie, wie lange die Menschen einer Stadt arbeiten müssen, um sich ein global erhältliches Produkt leisten zu können. Bei dem Produkt handelt es sich um einen „iPod Nano“. In Zürich und New York muss man dafür neun Stunden arbeiten, in der indischen Stadt Bombay (Mumbai) sind es 20 Tage (zu je neun Stunden), um sich vor Ort den gewünschten iPod in einem Apple Store leisten zu können.

Europa: Noch immer große Unterschiede

In Europa gibt es bei den Preisen und Gehältern noch immer große Unterschiede zwischen West und Ost. Trotz der EU-Osterweiterung (2004) liegt die Preisdifferenz bei 35 Prozent. Die Preisunterschiede haben sich seit der UBS-Studie 2006 nur unwesentlich verändert.

(c) Die Presse / HR

Die Arbeitnehmer aus Westeuropa beziehen aber mehr als dreimal höhere Bruttolöhne. Am ärmsten dran sind dabei die Einwohner von Sofia (Bulgarien) und Bukarest (Rumänien). Nur Städte aus Südamerika und Afrika liegen unter dem Lohnniveau von Osteuropa. „Dadurch gibt es die Zwei-Weg-Wirtschaft: Jobs gehen in den Osten, Arbeiter in den Westen“, kommentieren die Studienautoren Daniel Kalt und Christian Hilberath.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2009)

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