Deutschland: Der "Zuchtmeister" der Eurozone

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Analyse. Deutschland hat die Rolle des Hardliners gegenüber Griechenland übernommen. Viele andere verstecken sich dahinter.

Brüssel/Wien. Irgendwann ist auch auf persönlicher Ebene etwas zerbrochen. Wolfgang Schäuble war zwar in den Verhandlungen mit Griechenland nie der entgegenkommende Optimist, hatte wenig Verständnis für die Befindlichkeiten in Athen. Aber er hörte zu, wog ab. Im März würdigte er sogar den damals neuen griechischen Amtskollegen Varoufakis und meinte, dieser habe sich ihm gegenüber immer völlig korrekt verhalten. Mittlerweile bleibt zwischen beiden lediglich verbrannte Erde übrig. Varoufakis nennt seinen deutschen Widerpart in Interviews den "Zuchtmeister" der Eurozone. Schäuble äußert sich über seinen griechischen Ex-Kollegen nur noch mit Verachtung.

Der genaue Zeitpunkt, an dem der deutsche Finanzminister vom Skeptiker in die Rolle des unerbittlichen Hardliners gerutscht ist, mag schwer auszumachen zu sein. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat jedenfalls die Ankündigung der griechischen Regierung, ein Referendum über die Sparauflagen der Gläubiger abzuhalten. Schäuble polterte daraufhin: „Ich sehe keine Grundlage mehr für weitere Verhandlungen.“ Er argumentierte, dass mit dem Auslaufen des Hilfsprogramms am 30. Juni ein Schlussstrich gezogen werden müsse. „Dann isch over!“, sagte Schäuble mit seinem unverkennbar badischen Akzent.

Seine aus vielen schwierigen Jahren in der Politik angesammelte Erfahrung, aber auch seine ideologische Überzeugung haben Schäuble nun zum Frontmann jener Euro-Amtskollegen gemacht, die Griechenland lieber außerhalb als weiterhin innerhalb des Euro sehen möchten. Als die griechischen Vertreter am vorletzten Wochenende die Verhandlungsrunde verließen, sprachen der finnische Finanzminister, Alexander Stubb, Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sowie mehrere Amtskollegen offen über die Notwendigkeit eines „Plan B“. Er sollte das taktische Spiel der Regierung in Athen beenden und die Ansteckungsgefahr eines möglichen griechischen Ausscheidens aus dem Euro minimieren.

Fast hätte ein Gespräch zwischen dem französischen Präsidenten, François Hollande, und der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel, zu Beginn der vergangenen Woche den Hardlinern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn Hollande warb aktiv dafür, Griechenland doch noch mit einem neuen Hilfspaket entgegenzukommen. Merkel hatte nie Sympathien für einen Grexit. Sie, so heißt es in Berlin, habe stets die Lehman-Brothers-Pleite von 2008 vor Augen gehabt. Damals hatte die Insolvenz des US-Bankriesen eine globale Finanzkrise ausgelöst. Bundeskanzlerin Merkel soll nach dem Treffen mit Hollande nicht zum ersten Mal ihren Finanzminister zu einer milderen Gangart gedrängt haben.
Mit dieser Vorgeschichte wird klar, warum Schäuble für die letzte Runde mit Griechenland einen neuen, eigenen Vorschlag vorgelegt hat. Er formulierte ein Ultimatum, das er mit Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel akkordierte: Entweder Griechenland sorgt diesmal mit einem Garantiefonds selbst dafür, dass seine Hilfskredite abgesichert sind – dies könnte etwa durch die Verpfändung staatlichen Eigentums geschehen –, oder es tritt für fünf Jahre aus dem Euro aus, um in der Zwischenzeit selbst seinen Haushalt in Ordnung zu bringen.

Korridor für Lösung eingeschränkt

Schäuble setzte der griechischen Regierung, die seit Wochen laviert und immer neue Volten schlägt, also die Pistole auf die Brust. Er ging damit auch auf die innerparteilichen Kritiker zu, die bereits signalisiert hatten, für ein weiteres Hilfspaket an Griechenland nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Sowohl in der CSU als auch in der CDU wurden immer mehr Forderungen laut, sich eher für ein Ende mit Schrecken statt für ein Schrecken ohne Ende zu entscheiden. Nur wenn das Risiko neuer Hilfskredite minimiert würde, so hieß es, sei überhaupt ein positiver Beschluss im Bundestag möglich.

Schäuble weiß nun, dass er sowohl innenpolitisch als auch in der EU nicht allein steht. Für seine Gangart hat er viele hinter sich, deren Geduld ebenso zu Ende ist. Aber ihm ist auch bewusst, dass er keine sympathische Rolle übernommen hat. Wütend reagierte die griechische Regierung auf seinen Vorstoß und sprach von einem politischen Manöver, das einzig dazu diene, eine Einigung in der Euro-Gruppe zu torpedieren. Ganz falsch ist das nicht. So wie Tsipras durch sein Referendum den Handlungsspielraum der anderen Euroregierungen eingeschränkt hat, so ist es auch Schäuble gelungen, den Korridor für Athen zu verengen. Was die einen als genialen Schachzug sehen, bewerteten die anderen als destruktiv. „Genug ist genug“, ärgerte sich der italienische Regierungschef, Matteo Renzi. „Einen europäischen Partner so zu demütigen, obwohl Athen fast alles aufgegeben hat, ist unvorstellbar.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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