Valentinstag: Ein Blumentopf für die Ewigkeit

(C) Woltron
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Valentinstag. Kommenden Donnerstag findet er wie jedes Jahr statt. Die einen fürchten ihn, die anderen ersehnen ihn in bangem Hoffen. Die Gründe könnten unterschiedlicher nicht sein.

Jeder Gärtner weiß, dass alle Pflanzen noch viel schöner werden, wenn sie in würdigen Gefäßen Platz finden. Deshalb ziehen wir, die wir Plastiktöpfe nicht als die Krönung gärtnerischen Designs empfinden, ja regelmäßig hinaus auf die Flohmärkte. Dort kaufen wir alte Häfen, Schalen, Bottiche und andere geeignete Behältnisse jeden Formats, um Blumentöpfe darin zu versenken oder um sie mit Erde zu füllen und zu bepflanzen. Kleine Gefäße aufzutreiben ist dabei nicht schwierig. Schöne große Bottiche zu finden ist hingegen eine Herausforderung. Besonders, wenn sie winterhart und für den Garten geeignet sein sollen.

Letzteres Problem stellte sich einem Ehepaar im britischen Newcastle über lange Zeit nicht. Der Zufall wollte es, dass im Garten des Hauses, das sie vor über dreißig Jahren im Norden am Rand des Hadrianswalls gekauft hatten, praktischerweise bereits ein beachtlicher Pflanztrog stand. Der war riesengroß, aus Stein, hübsch mit Reliefs spärlich bekleideter Putten oder ähnlicher Gestalten verziert und sah ziemlich alt und verwittert aus. In die Verlegenheit, ihn zu entsorgen oder zu verrücken kam man nicht, denn das Ding wog eine geschätzte Tonne. Also blieb es, wo es war, und wurde dreißig Jahre lang mit schönen Blumen bepflanzt. Zuletzt mit Lobelien, und zwar den knallblauen. Die sahen hübsch aus über dem grauen Stein und vor der grünen Buchshecke.

Dann fiel den beiden zufällig ein Bericht über eine Kunstauktion im Süden des Landes in die Hände. Dort, in Dorset, war gerade ein römischer Sarkophag versteigert worden und hatte eine Rekordsumme erzielt. Die beiden sahen das Foto an, das ihn zeigte, dann sahen sie einander an, dann sahen sie ihren alten Blumentrog an. Der sah genau so aus wie der steinerne Sarg, der seinem Verkäufer soeben mehr Geld eingebracht hatte, als die beiden Leutchen seinerzeit für ihr gesamtes Anwesen gezahlt hatten. Sie schickten Fotos ihres voluminösen Lobelientopfes an das Auktionshaus. Der dortige Sachverständige sprang völlig aufgeregt sofort ins Flugzeug nach Newcastle, besah das Stück und erklärte den Blumentrog noch am selben Tag für antik und zum römischen Sarkophag.

Er stamme aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert, meinte er, also etwa aus der Zeit, in der Kaiser Hadrian den Wall errichten ließ. Außerdem sei er aus Carrara-Marmor, schön und reich verziert und hätte wohl einer vornehmen Persönlichkeit gegolten. Einer an der Rückseite befestigten Plakette zufolge war die Antiquität im Jahr 1902 in Rom erworben und nach England transportiert worden. Von wem, erforschen nun Historiker. Die beiden Pensionisten hingegen begannen sogleich mit aller Vorsicht, die Lobelien und die Erde auszuschaufeln. Dann hob ein Kran den noblen Blumentrog auf einen Lastwagen und transportierte ihn gen Süden. Sein Schätzwert beträgt umgerechnet mindestens 116.000 Euro. Kommenden Donnerstag wird er versteigert.

Das ist der 14. Februar und damit auch das Datum, vor dessen floristischer Opulenz man sich ein bisschen fürchten muss. Der Valentinstag ist jener Tag, an dem alle Blumenarrangeure ungestraft durchdrehen dürfen. Die wenigen mit Geschmack bitte ich um Verzeihung. Die anderen, die mit schillernden Steckherzen, glitzernden Pigmenten und Filzaccessoires in Rot arbeiten, nicht. Gewerkschaftsbünde und Betriebsräte verteilen am Valentinstag in großen Unternehmen gern kleine Primeltöpfe. Die stehen dann in Großraumbüros auf den Schreibtischen der Beschenkten im Weg herum, trocknen alsbald aus und segnen schlaff das Zeitliche. Irgendwie traurig.

Der Blumentopf, um der Geschichte noch einen pädagogischen Drall zu verleihen, ist übrigens eine Erfindung der Antike, genauer der Ägypter. Die Pharaonin Hatschepsut ließ auf Schiffen in Tontöpfe gepflanzte Myrrhe-Bäume aus dem nilaufwärts gelegenen Lande Punt in ihr Reich holen. Das Harz der knorrigen, langsam wachsenden Bäume verwendete man seit jeher für Einbalsamierungen. Offenbar war es die Herrscherin leid, die kostbare Substanz von Händlern zu erwerben, wenn man sie doch selbst erzeugen konnte. Dass das kein Märchen ist, bezeugen die 3500 Jahre alten Blumentopfwandgemälde in ihrem Tempel. Gemalt 3450 Jahre vor der Valentinserfindung der Floristen.

Gartenlaube

Sollten Sie jetzt kleinwüchsige Tulpen, Narzissen, Hyazinthen und andere Frühblüher geschenkt bekommen oder kaufen: Entfernen Sie die Töpfe vorsichtig und stellen Sie die durchwurzelten Ballen in schönen Gefäßen dicht an dicht. Feucht halten, nach dem Abblühen kalt stellen, später in den Garten setzen. Sie blühen dann alljährlich wieder. Auch eine Art, die Ewigkeit nach Hause zu holen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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