Indien: Die Geheimnisse Keralas

Indien Geheimnisse Keralas
Indien Geheimnisse Keralas(c) EPA (Jay)
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Wie geht es dem indischen Kunstmarkt? Die "India Art Fair" bietet hohe Qualität, die Kochi-Muziris-Biennale atmosphärisch Überwältigendes und herausragende Werke. Eine Reportage aus Delhi und Kerala.

Taj Mahal, heilige Kühe, Ayurveda – das prägt unser Bild von Indien. Zeitgenössische Kunst kommt darin nicht vor. Tatsächlich aber entwickelt sich seit der Jahrtausendwende ein starker Kunstmarkt auf dem Subkontinent. Immer mehr Galerien eröffnen in Delhi, Mumbai und Kalkutta. 2008 folgte die erste große Kunstmesse in Delhi, zunächst „India Art Summit“ genannt, seit letztem Jahr nüchtern „India Art Fair“ (IAF). Parallel eröffnen neue Privatmuseen und übernehmen die Aufarbeitung der reichhaltigen Kunstgeschichte Indiens.

So verblüffte gerade zeitgleich zur 5. IAF das Kiran Nadar Museum of Art (KNMA) mit einer Personale der 1937 geborenen Künstlerin Nasreen Mohamedi. Untergebracht in einem Einkaufszentrum nahe der Messe, sind hier erstmals die außergewöhnlich reduzierten, oft abstrakten Zeichnungen und Fotografien der 1990 verstorbenen Künstlerin zu sehen.


Berührende indische Kunst. Überhaupt bot die IAF heuer in ihrer fünften Edition hohe Qualität. In einem blauen Zelt im Süden Delhis auf dem Gelände der NSIC untergebracht, irritieren nur im hintersten Bereich die allzu bunten, uns kitschig erscheinenden Malereien voller Tiere und Götter. Beim Großteil der 105 Galerien aus 24 Ländern gibt es Faszinierendes zu entdecken, die berührenden Fotografien indischer Frauen von Sheba Chhachhi in der Galerie Volte oder die kleinteiligen, meditativen Zeichnungen des jungen, pakistanischen Künstlers Waqas Khan bei Lakereen aus Mumbai. Khan verbringt gerade ein zweimonatiges Stipendium in Wien als Gast der Galerie Krinzinger, die zum dritten Mal an der Kunstmesse in Delhi teilnimmt. Seit einer Reise vor fünf Jahren verfolgt Ursula Krinzinger die Kunst dieser Region aufmerksam und zeigt immer wieder indische Kunst in ihrer Galerie.

Die Konzentration auf die nationale Kunst gilt nicht nur für die IAF, auch für die Kochi-Muziris-Biennale. 90 Künstler stellen hier aus, die meisten Inder, nur wenige aus dem Westen – darunter zu Recht unbekannte Namen. Abgesehen von diesem unnötigen Qualitätsgefälle ist die Schau atmosphärisch überwältigend schön und beeindruckt immer wieder mit herausragenden Werken. Austragungsort ist Kochi, die Hauptstadt Keralas. Im Südwesten Indiens gelegen, ist diese Gegend im Westen vor allem bekannt als Hochburg der indischen Heilkunst Ayurveda. Im 16. Jahrhundert bauten hier die Portugiesen die erste Festung auf dem indischen Kontinent und begannen den bis heute einträglichen Handel mit Gewürzen. Es ist eine auffallend multireligiöse Stadt, in der es nie Krieg gab.

Kochi-Muziris: Der Name ist zugleich Thema. Es geht einerseits um die reichhaltige Geschichte Kochis bzw. Keralas, andererseits um die Legenden rund um Muziris, jenen Seehafen, der im 1. Jahrtausend n.Chr. bestand, durch eine Flutwelle zerstört und vergessen wurde. Die exakte Lage ist umstritten, allen Indizien nach aber in Kerala.

Skulpturen vollerGewürze. Insgesamt sind es zwölf Orte, zu denen uns die Motorrad-Rikschas für wenige Euros fahren. Die meisten Räume sind gerade so weit renoviert, dass die Werke wirken und trotzdem Stadtgeschichte erlebbar bleibt. Auf einem Dachboden inszeniert Ernesto Neto seine mit Gewürzen gefüllten Skulpturen. Im „Pfefferhaus“ zeigen Videos der Gruppe CAMP den Inhalt der vielen Boxen, die von Schiffen transportiert werden, und im Aspinwall House füllt Subodh Gupta ein Fischerboot mit altem Hausrat.

Hier finden die Einheimischen Identitätsstiftendes, die indische Kunstszene eine Bestätigung ihrer Qualität und jeder Tourist einen einzigartigen Überblick. Ein perfekter Start, dem hoffentlich noch weitere Biennalen folgen werden.

India Art Fair, 1.–3.2., NSIC Exhibition Grounds, Delhi; Kochi-Muziris-Biennale, Kochi, bis 13.3., verschiedene Orte, Tagespass 1,40 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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