NGO-Management: Von wegen Kopf-durch-die-Wand-Guerilla

Von wegen Kopf-durch-die-Wand-Guerilla
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Weihnachtliche Spenden lukrieren, Idealismus leben oder Businesspläne einhalten: Was bedeutet Erfolg im Non-Profit-Bereich? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten machen gute NGO-Manager aus?

„Dornbuscherlebnisse“ – mit diesem biblischen Bild beschreibt der Armutsforscher und Sozialethiker Clemens Sedmak, was aus seiner Sicht unabdingbar für qualitätsvolle Arbeit im Non-Profit-Sektor ist. Gemeint sei damit „Neugierde weckendes, lebensveränderndes Brennen“. Neben Engagement sei aber auch ein pragmatischer Zugang vonnöten, sagt Sedmak und findet dafür noch einmal einen Vergleich, diesmal den Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher zitierend: „Es braucht den Eisschrank der Rationalität, damit die süße Milch der Frömmigkeit nicht sauer wird.“

Interesse steigt


Dass gerade NGO-Mitarbeiter Profis im Ausbalancieren von Herz und Verstand sein müssen, ist noch nicht in allen Köpfen angekommen. Zwar ist das Klischee einer Kopf-durch-die-Wand-Guerilla in Latzhosen der Pionierphase inzwischen überwunden. Doch „Gutmenschentum“, Aktionismus oder Realitätsverweigerung wird immer noch gern unterstellt, bei Juristen oder Ökonomen kommt noch der Generalverdacht hinzu, der Verzicht auf profitablere Tätigkeitsfelder habe mit minderer Eignung zu tun. „Als ich 1998 mein Wirtschaftsstudium abgeschlossen habe, sind die meisten Kollegen zu Konzernen wie Procter & Gamble oder OMV gegangen“, erzählt Daniela Scharer, die heute als Leiterin der Kommunikationsabteilung des Evangelischen Diakoniewerkes Gallneukirchen tätig ist. „Freilich hat aber auch die Sozialbranche lange verabsäumt, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren – mit einer stimmigen Unternehmenskultur und Wertewelt, einem vielseitigen Geschäftsfeld mit speziellen Incentives.“ Scharer ist im NGO-Bereich Quereinsteigerin. Die Ökonomin arbeitete zwölf Jahre in den Bereichen Marketing und Kommunikation in Industriekonzernen. Während ihrer Elternkarenz wurde sie ehrenamtlich in einem Projekt tätig, in dem es auch um zukunftsträchtige Arbeits- und Gemeinschaftsmodelle ging – für sie ein Impuls, umzusatteln. Ein solches Erlebnis sei häufig der Auslöser für einen Branchenwechsel, meint Clemens Sedlak, der als Begründer des Zentrums für Ethik und Armutsforschung der Uni Salzburg und Präsident des Internationalen Forschungszentrums für soziale und ethische Fragen (IfZ) tätig ist. Und es sei wichtig, diesen Bezug nicht zu vergessen.

Gründlich sollte auch das Wissen sein, möchte man sein Engagement zum Beruf machen. Scharer bildete sich durch ein zusätzliches MBA-Studium für Global Marketing Management weiter. Wer sich noch gezielter vorbereiten möchte, kann unter zahlreichen berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten wählen, unter anderem den Lehrgang „Professional NPO-General Management Program“ der NPO-Akademie, der in zwölf Modulen umfassendes Know-how von BWL über Recht bis zu Social Skills vermittelt. Die Masterstudien „Menschenrechte/Human Rights, M.A.“ und „Migrationsmanagement“, MSc an der Donau-Uni Wien eigenen sich ebenfalls für Interessierte. Speziell für Juristen bietet die Caritas den zweisemestrigen Lehrgang „Rechtsberatung im Asyl- und Fremdenwesen“ an.

Wertewandel


Weniger Geld, dafür mehr Entgegenkommen: Im Diakoniewerk fand Scharer einen Arbeitgeber, der für die Branche beispielhaft ist: So traute man ihr als Mutter eines Kleinkindes nicht nur Führungsverantwortung für 14 Mitarbeiter zu, sondern gab ihr gleichzeitig die Möglichkeit, durch eine 30-Stunden-Woche Arbeit und Familie leichter verbinden zu können. Als „Sprung nach unten“ habe sie den Branchenumstieg nie gesehen.
Auch bei anderen Wirtschaftsabsolventen nehme sie inzwischen geänderte Wertigkeiten wahr. Gute Unternehmenskultur, sinnvolle Tätigkeit und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen seien inzwischen zu Prioritäten geworden. „Die Höhe des Einkommens ist für viele nicht mehr das Wichtigste.“ Umgekehrt würde es aus Scharers Sicht vielen NGOs und NPOs gut tun, mehr Branchen-Quereinsteiger zu beschäftigen und nicht nur auf eine Entwicklung „aus dem Unternehmen heraus“ zu setzen.

Idealismus oder Realismus


Was aber braucht es an Rüstzeug, um in NGOs Führungsfunktionen zu bekleiden? Idealismus? „Personen in Leitungsfunktionen von NGOs laufen Gefahr, durch das ehrenamtliche Engagement das nüchterne Urteil zu verlieren oder auch, durch das nüchterne Managementdenken das Engagement auszulöschen“, weist Clemens Sedmak auf eine berufliche Falle hin. „Nach meiner Erfahrung sind Schlüsselherausforderungen für NGOs vor allem: der lange Atem und die Flamme am Brennen halten, Realismus und realistische Erwartungen, guter Umgang mit Konflikten und guter Umgang mit Fehlern.“

Auch dürfe man nie den Bezug zu dem verlieren, wofür man eigentlich arbeite. „Es scheint mir sehr wichtig zu sein, die Erfahrung von Einfachheit zu machen und Begegnungen mit Menschen, die von Armut betroffen sind, zu erfahren.“

Scharer findet, „es braucht eine Top-Qualifikation und die Beherrschung des Handwerks, um sich auch in einer NGO auf die Unternehmenskultur einlassen zu können.“ Kommunikation erfordere – egal in welcher Sparte – Planung und Kreativität, ein gutes Netzwerk und Stressresistenz. Um sich darin zu üben, werden auch zahlreiche Kompaktlehrgänge, Workshops und Seminare angeboten, etwa vom NPO-Kompetenzzentrum der WU oder der NPO-Akademie: „Marketing in NPOs“ und „Professionelles Freiwilligenmanagement“.

Auch für Barbara Weber, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, ist zum Thema „Idealismus“ klar: „Ich brauche keine Märtyrer.“ Aber es ist wichtig, schon beim Einstellungsgespräch klarzustellen, dass man, wenn man vor allem viel verdienen möchte, nicht in den NPO-Bereich gehen sollte.

Heikles Thema „Führen“


Strebt man eine Führungsfunktion in einer NGO oder NPO an, sollte man aus Webers Sicht vor allem folgende drei Eigenschaften mitbringen: Die Fähigkeit zu Analyse und Komplexitätsreduktion, um „vom Weltretten zu konkreten Handlungsanweisungen“ zu kommen, das Wissen, wie mit knappen Ressourcen viel erreicht werden kann, und einen Arbeitsstil, der den Idealen entspricht, die man vertritt: „Wenn ich bei Amnesty International Menschenrechte predige, kann ich nicht despotisch führen.“ Neben den genannten Lehrgängen werden diese Skills auch bei den berufsbegleitenden, drei- bis viersemestrigen MBAs „Sozialmanagement“ der Universität Salzburg, der WU oder der Donau-Universität vermittelt.

In NPOs war Führung lange ein Tabuthema, unter dem Motto: „Führen ist mit Macht verbunden und darf deshalb nicht sein. Dieser Zugang hat sich inzwischen geändert“, so Weber. Heute gehöre auch im NPO-Management gute Führung zum Professionalitätsanspruch – inklusive strategische Planung, Risikomanagement, Leadership, Lösungsorientierung und Entscheidungsfreudigkeit. Sie habe sich mit diesen Skills nicht nur in Weiterbildungen und durch Fachliteratur beschäftigt, vor allem aber durch den Austausch mit Kollegen und im Zuge von Mentoring-Programmen.

Für alle, die schon früh wissen, dass sie in den NPO-Bereich einsteigen möchten, gibt der Bachelor „Nonprofit-, Sozial- & Gesundheitsmanagement“ am Management Center Innsbruck einen guten Einstieg in die professionell gemanagte Nächstenliebe.

Auf einen Blick

Sinnvolle Arbeit leisten, die eigenen Werte leben können, Benachteiligten helfen – und davon leben können: Das wünschen sich nicht nur zur Weihnachtszeit viele Menschen, die ihr tägliches Hamsterrad nicht mehr weiterrollen möchten. Mit Idealismus allein ist es dabei aber nicht getan – Aus- und Weiterbildung sind auch für Quereinsteiger die beste Voraussetzung für Erfolg.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.mci.edu

www.npo-akademie.at

www.caritas.at/mitarbeit-bildung/caritaslehrgang-asyl-und-fr emdenwesen/

www.wu.ac.at/npo/competence/events/ws www.donau-uni-ac.at

www.executiveacademy.at

www.uni-salzburg.at

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