„Der Hobbit“: Gandalf, hoch im Norden von Mittelerde

(c) Courtesy of Warner Bros. Picture
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Im zweiten Teil der Fantasy-Trilogie „Smaugs Einöde“ schaltet Regisseur Peter Jackson von Entschleunigung auf Rasanz, und findet damit Anschluss an seine „Herr der Ringe“-Filme. Ab heute (als Mitternachtspremiere) im Kino.

Der erste „Hobbit“-Film war nicht nur im Titel, sondern für viele Zuschauer auch ästhetisch eine „unerwartete Reise“. Und das nicht nur, weil sich die romantischen Panoramen der neuseeländischen Natur mit der technokratischen Entscheidung für ultrahochaufgelöste Bilder nur bedingt vertragen haben. Sondern vor allem, weil die „Herr der Ringe“-Fans im „Hobbit“ einen vergleichbaren Kick suchten, aber stattdessen eine luftigere, lustigere, leichtere Erfahrung serviert bekamen.

Als hätte Peter Jackson, der den „Hobbit“-Dreiteiler wie schon beim „Herrn der Ringe“ am Stück gedreht hat, auf die Zurufe seines Publikums gehört, wechselt er in der Fortsetzung „Smaugs Einöde“ jetzt die Erzählgeschwindigkeit. In knappen drei Stunden stürzt und taumelt man durch mehrere Dutzend eindrucksvolle Setbauten: Dass die Geschichte dabei nicht den dramaturgischen Boden unter den Füßen verliert, belegt einmal mehr Peter Jacksons Talent, derart episch angelegte Geschichten zu stemmen.

Wie eine einzige verdichtete Bewegung

Der zweite Teil des Abenteuers führt die 13Zwerge, den Magier Gandalf (Ian McKellen) und den Hobbit Bilbo Beutlin (Martin Freeman) hoch in den Norden von Mittelerde. Die grünen Rollhügel werden zum dichten Finsterwald: Das Blattgrün von einst liegt jetzt vertrocknet auf dem Boden. Alles Leben verfault, seitdem in der Festung Dol Guldur der Nekromant Stellung bezogen hat und von dort aus seine Heerscharen von Orks und andere Höllenkreaturen ausschickt. Chefzwerg Thorin Eichenschild (Richard Armitage), der seine zwölf Kameraden zum Einsamen Berg führt, wo sie ihr verfallenes Minenkönigreich Erebor wiederbeleben wollen, macht bald Bekanntschaft mit ihnen: Im Finsterwald wird der Treck von Riesenspinnen angegriffen. Erst in letzter Sekunde werden sie von den einreitenden Waldelben, den Erzfeinden der Zwerge, gerettet, landen aber kurz darauf in deren Verlies.

„Smaugs Einöde“ ist in seiner Essenz eine einzige verdichtete Bewegung: Gleich zu Beginn sieht man schon den Einsamen Berg am Horizont stehen. Peter Jackson schiebt dessen Spitze später immer wieder ins Panorama, als eine Art dramaturgischen Leuchtturm, der die zerklüftete, über viele Orte ausgespielte Handlung anleitet. Wenn dabei das Gefühl von Unrast entsteht, dann ist das sicherlich beabsichtigt, allerdings auch Ergebnis einer kurzfristigen Änderung in der Veröffentlichungsstrategie dieses Megaprojekts: Anfänglich waren „nur“ zwei Filme geplant. Als Peter Jackson und die Produzenten sich dann doch auf eine Trilogie einigten, wanderten etliche Szenen, darunter eben auch der Spinnenangriff und die Waldelbensequenz vom ersten in den zweiten Teil. Nicht zuletzt deshalb wirkte „Eine unerwartete Reise“ auf viele entschleunigt bis langatmig, während „Smaugs Einöde“ mit seiner Rasanz einige Zuschauer auch überfordern dürfte.

Visuelle Opulenz mit digitaler Malerei

Gleich geblieben ist allerdings Jacksons Leidenschaft für visuelle Opulenz: gemeinsam mit seinem Stammkameramann Andrew Lesnie komponiert der Neuseeländer atemberaubende Panoramen von verfallenen Festungen, dichten Wäldern und gigantischen Felswänden. In diesen Aussichten rinnen digitale Malerei und reale Aufnahmen zu einem fast schon surreal-romantisch anmutenden Wunderraum zusammen: Der ist nicht nur schön anzusehen, sondern ermöglicht es einem auch, die Figuren nie aus den Augen zu verlieren und ihre Bewegungen fast schon kartografisch zu verorten.

Jackson, der aus seiner Liebe zum Analogen und Handfesten nie einen Hehl gemacht hat, weiß aber auch, wie schnell Computereffekte selbst einen so leidenschaftlichen Film auskühlen lassen können. Viele der Nah- und Innenaufnahmen wurden daher zumindest teilweise auf tatsächlichen Sets gedreht und bieten Spezialeffekt- und Requisitenguru Richard Taylor und seinen Künstlern vom Weta-Workshop massig Gelegenheit, ihre bis ins kleinste Detail designte Welt mit all ihren Waffen, Gebäuden und Kreaturen zu präsentieren.

Die Nemesis der Trilogie bleibt allerdings einstweilen noch gasförmig: Einzig schwarzer Rauch und ein – für „Herr der Ringe“-Fans schnell wieder erkennbares – flammendes Auge geben dem mit Vocoder-Stimme sinister vor sich hin säuselnden Nekromanten (im Original gesprochen von Benedict Cumberbatch) eine Art von Wiedererkennbarkeit, während die niedrigen Haudraufdienste weiterhin Oberork Azog, Beiname der Schänder, zu erledigen hat.

„Smaugs Einöde“ sucht und findet aber auch sonst Anschluss an die „Herr der Ringe“-Trilogie: Wie ein Geist aus einer anderen Zeit taucht Elb Legolas (Orlando Bloom) auf und kämpft an der Seite der Abenteurer, während der „Eine Ring“, den Bilbo mit sich trägt, und diverse Omen, die eine Rückkehr Saurons ankündigen, grundlegende Elemente der „Ring“-Trilogie lancieren.

Ein Wunderwerk: Der Drache Smaug

Und dann ist da noch der Drache Smaug – wie die Spinnen im Übrigen der Sprache mächtig –, der sich in der gigantischen Schatzkammer der Zwerge eingenistet hat: Ein Wunderwerk der Animationskunst ist sein großer Auftritt, gleichzeitig die Klimax dieses bis in die hintersten Winkel spektakulären Films. Wie Peter Jackson es schafft, dieses Monstrum zwischen Feuersbrünsten und Goldmassen gegen einige Zwerge und einen Hobbit kämpfen zu lassen, und all das perspektivisch wie dramaturgisch funktioniert, das muss als eine der großen Leistungen dieses Kinojahres gelten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2013)

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