Domingo, der König der Oper, in „Simon Boccanegra“

Plácido Domingo
Plácido Domingo Matt Sayles/Invision/AP
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In der Wiener Staatsoper beweist ein grandioser Plácido Domingo nochmals seinen singulären Rang. Singt Domingo, dann erweist sich dieser König der Oper immer noch aller Verehrung würdig.

Zugegeben, die Fans müssen schon länger nicht mehr vor der Staatsoper übernachten, um die begehrten Stehplätze in den vordersten Reihen zu ergattern: Sie dürfen es entspannter angehen, so wie der Star selbst, der sich bekanntlich auf Baritonpartien verlegt hat, unter denen die Titelrolle von Verdis „Simon Boccanegra“ seine wohl beste geworden ist. Aber singt Plácido Domingo, dann erweist sich dieser König der Oper immer noch aller Verehrung würdig.

Wenn er sich als unverhofft seine verschollene Tochter wiederfindender Vater mehrfach wie unwillkürlich an die Brust fasst, bleibt das keine hohle Geste, sondern wird zum bewegenden Ausdruck des Schmerzes in der Freude. Und das zärtliche „Figlia!“, das er ihr dann nach im Zwiegesang beschworener Eintracht hinterhersendet, ist nicht Ruf, nicht Hauch, sondern eine Klanggebärde höchster Innerlichkeit.

Mit Bühnenadrenalin in bester Verfassung

Denn Domingo, obwohl jenseits der siebzig, scheint unter Einfluss des Bühnenadrenalins keinerlei physische Einschränkungen zu kennen, ist stimmlich in bester Verfassung und erfüllt die Partie des Dogen von Genua souverän, auch wenn er sie naturgemäß nicht als genuiner Bariton, sondern mit Tenorklang wiedergibt, wodurch manche Stelle anderen Charakter annimmt. Apropos Charakter: Den verkörpert der Singschauspieler auf unvergessliche Weise. Wie höhnisch-bitter dieser Boccanegra über die Wankelmut des Volkes klagt, mit welch grandiosem Pathos er den geheimen Verschwörer Paolo (wie immer brav: Eijiro Kai) dazu zwingt, sich selbst zu verfluchen! Und vor allem: Selbst wenn der Weg in den gewaltsamen Tod unvermeidlich erscheint, lange bevor der Amtsmüde vergiftet wird, ist doch herzzerreißend, wie er zuletzt langsam sein Leben aushaucht, sich immer wieder aufrafft, Haltung annimmt – um doch zusammenzubrechen.

Seiner Leistung am nächsten bei dieser unausgeglichen besetzten Benefizvorstellung zugunsten von „Nein zu Arm und Krank“ kam Ramón Vargas als nobel-empfindsamer Gabriele Adorno, während Ain Anger (Fiesco) zumeist derb polterte und Barbara Haveman (Amelia) zwar das Auge erfreute, mit trägen, harten, oft zu tiefen Tönen nicht aber das Ohr. Das Ensemble, den guten Chor und das nicht rasend sicher agierende Orchester hielt Philippe Auguin ohne groben Unfall zusammen: Steigerung erwünscht und durchaus möglich. wawe

Noch am 11. und 14. 11., 19 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)

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