Kaffee? Das ist eine Frage der Kultur

A barista puts whipped cream on a drink at a newly designed Starbucks coffee shop in Fountain Valley, California
A barista puts whipped cream on a drink at a newly designed Starbucks coffee shop in Fountain Valley, CaliforniaREUTERS
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Die US-Kaffeehauskette Starbucks will Anfang 2017 ihre erste Filiale in Italien eröffnen. Die etablierten Baristas fürchten die Konkurrenz nicht. „Andere Branche“, sagen sie abfällig.

Rom. Tafeln und Schilder, wie solche, die längst auch in Österreich auf den Gehwegen vor Kaffeehäusern stehen, sucht man in Italien vergeblich. „Coffee to go“, wahlweise auch „Kaffee to go“ – diesen in Österreich bereits eingebürgerten Begriff gibt es hier nicht. Klar, man kann den Barista bitten, den Caffè, also den Espresso oder den Cappuccino, „da portare via“, also zum Mitnehmen, zuzubereiten.

Vor wenigen Jahren hätte dieser Wunsch sicher zu Kopfschütteln und Achselzucken geführt. Doch auch die Italiener gehen mit der Zeit, die nun einmal auch hier immer hektischer wird. Also läuft der Schluck Espresso nicht in eine der kleinen Porzellantässchen, sondern in einen schnöden weißen Plastikbecher – die Sorte mit den horizontalen Rillen. Vor der Ökowelle Stammgast auf jedem Kindergeburtstag.

Geradezu konträr wirkt da das Mitnehmkonzept riesiger Milchkaffeemengen, wie sie die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks verkauft. Im Jahr 2015 gab es weltweit bereits 23.043 Starbucks-Filialen, 2007 waren es noch 15.011. Allein in Deutschland gibt es etwa 160 Filialen des US-amerikanischen Kaffee-Giganten, in Österreich immerhin ein gutes Dutzend. Der weltweite Umsatz im Jahr 2015 lag bei 19,16 Milliarden US-Dollar (18 Milliarden Euro). Nur nach Italien hat man sich bisher nicht getraut.

Im Frühjahr des kommenden Jahres wird nun aber in Mailand die erste Starbucks-Filiale auf italienischem Boden eröffnen. Einen genauen Termin wollte man noch nicht bekannt geben. „Wir wissen, dass wir mit der Eröffnung einer ganz besonderen Herausforderung gegenüberstehen werden“, wird Antonio Percassi, Präsident des italienischen Lizenznehmers Percassi, zitiert. Schließlich sei Italien das Land des Kaffees. Man sei sich aber sicher, „dass das italienische Volk bereit ist, die Starbucks-Erfahrung zu erleben.“

„Das ist, als würde ein Argentinier nach Venetien kommen, um den Leuten dort guten Wein zu bringen“, sagt der Chef einer großen italienischen Kaffeemarke, der aber nicht namentlich genannt werden möchte, gegenüber der „Presse“. Starbucks sieht er ohnehin nicht als Konkurrenz. „Andere Branche“, sagt er nur abfällig. Starbucks sei bestenfalls eine Milchbar.

„Etwas komplett anderes“

Auch Massimo Zanetti, Gründer und Direktor der Massimo Zanetti Beverage Group, zu der die Kaffeemarke Segafredo gehört, ist skeptisch, ob Starbucks zu den Italienern passen wird. „Der Italiener geht in die Bar, die er kennt, in der er bekannt ist. Das ist Teil unserer Tradition“, sagt er. „Vielleicht gibt es ein junges Publikum, das sich lieber lange hinsetzen möchte, um auch einmal etwas zu lesen.“ Er sehe das nicht als Bedrohung der italienischen Barkultur. „Es ist einfach etwas komplett anderes.“

Caffè, wie der Espresso hier schnell genannt wird, gehört zum kulinarischen Kulturgut wie Pizza, Pasta und Tiramisu. 70 Millionen Tassen Espresso werden in Italien täglich konsumiert, und das bei rund 60 Millionen Einwohnern. Schätzungen zufolge gibt es in ganz Italien 132.000 Bars (eine italienische Bar entspricht etwa einem deutschen Stehcafé). Davon sind 129.000 unabhängig, während etwa 3000 zu Ketten gehören. Dazu kommen noch rund 50.000 Bars, die zu anderen Betrieben gehören, zum Beispiel zu Bahnhöfen oder Mensen. Wenn man dazu noch die Zahl der Eisdielen, Diskotheken, Konditoreien und Restaurants rechnet, in denen ebenfalls Caffè ausgeschenkt wird, erhöht sich die Zahl der Betriebe, auf fast 300.000.

Klar ist, es werden Welten aufeinanderprallen. Das Beste an der italienischen Kaffeekultur: Sie ist so schön unkompliziert. „Un Caffè“, fertig. Eine halbe Minute später steht der heiße Espresso vor einem auf dem Tresen. Kaum vorstellbar, dass man nun auch in Italien damit beginnt, einen Grande Cinnamon Dolce Latte, koffeinfrei, mit fettarmer laktosefreier Milch, extra heiß, mit Sahne und zum Mitnehmen zu bestellen. In der Zeit, in der so ein Text an der Kasse vorgetragen wird, steht man als italienischer Normalkonsument bereits wieder vor der Tür der Stammbar – im Bauch das so bekannte, so angenehm wohlige Gefühl, ausgelöst durch einen kleinen Schluck schwarzen Glücks.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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