Valie Export holt „Genitalpanik“ aus Archiv

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Dass sich Valie Export mit dem Wegwerfen schwer tut, ist ein Glücksfall für das Kunsthaus Bregenz. Es durfte in ihrem Archiv stöbern und daraus eine Ausstellung bestücken.

Seit den Sechzigerjahren heftet Valie Export in unzähligen Ordnern alles ab, das in Zusammenhang mit ihrer Kunst steht. Per Hand oder Maschine niedergeschriebene Konzepte, Zeichnungen, Fotos, Zeitungsausschnitte, Plakate. Dazu kommen Schachteln für kleine Objekte und Koffer für die größeren. Kunsthaus-Bregenz-Direktor Yilmaz Dziewior durfte in diesem, nur durch ganz „seltene Akte der Vernichtung“ (Export) reduzierten Archiv stöbern, um letztlich 20 Ordner und 850 Objekte auszuwählen. 57 Vitrinen wurden dafür gebaut, dicht gefüllt und aufgestellt im ersten Stock des Kunsthauses.

In einer davon dreht sich alles um das Wort Export, das die als Waltraud Lehner geborene Linzerin seit 1967 als Künstlername führt. Da liegen Zeitungsausschnitte, in denen es um Sexexport, um Exportwunder und Exportrekorde geht, genauso wie Pappdeckel für ein Bier namens Export und natürlich eine Packung Export-Zigaretten, die die Künstlerin damals geraucht hat. Was das berühmte Selbstporträt beweist, auf dem sie, mit einer Zigarette im Mund, eine mit ihrem Foto modifizierte Packung in der Hand hält.

Und immer wieder sanfte Wellen

In einer anderen Vitrine liegen Zeichnungen der ganz jungen Künstlerin, ein völlig realistisches Früchtestillleben genauso wie ein blasphemisches Selbstporträt als „Heilige Vrouw van Fatima“. Aber auch ganz neue wie 40 Jahre alte Wellenzeichnungen finden sich hier, Skizzen über visuelle Strukturen, handgeschriebene Drehbücher, Konzepte für realisierte oder nicht realisierte Ausstellungen, für experimentelle Filme und Bücher.

Nicht fehlen darf natürlich jede Menge Referenzmaterial zu den spektakulären Aktionen in den Sechziger- und Siebzigerjahren, mit denen die damals bevorzugt ihren Körper zum Medium machende Valie Export in die Kunst- und Feminismusgeschichte einziehen sollte. Für die Originalhose, die Export 1969 bei ihrer „Genitalpanik“-Aktion getragen hat, ist eine eigene Vitrine reserviert, das Requisit ist längst eine Inkunabel feministischer Kunst geworden.

Viele der Werke, deren Genese in diesen Vitrinen nachzuspüren ist, finden sich einen Stock höher in ihrer Endausführung. Das „Tapp und Tastkino“ etwa, mit dem sie 1968 die Gemüter erregte. Die Attrappe eines Fernsehers um den Oberkörper geschnallt – auch sie ist in der Schau zu sehen –, forderte sie in der Münchner Fußgängerzone Männer auf, durch seitliche Eingriffe ihre nackten Brüste zu berühren. Männer, die sonst anonym Pornofilme konsumierten, sollten sich auf diese Weise mit einer realen Frau „und der Haut als Leinwand“ auseinandersetzen.

Die „Genitalpanik-Aktionshose“ mit einem großen Loch im Schritt hat Export auf dem längst legendär gewordenen Foto real an, auf dem sie mit zerzaustem Haar und Maschinengewehr posiert. Ebenfalls erstmals öffentlich gezeigt wird die „Sommerjacke“ von 1973, aus deren Nähten getrocknete Gräser quellen. Bereits vor 17 Jahren war die Installation „Fragmente der Bilder einer Berührung“ allerdings schon in Bregenz zu sehen, damals im Magazin4. „Aber noch nie so schön“, wie Dziewior meint: Von der Decke hängende bewegliche Metallstäbe mit brennenden Glühbirnen an ihren Enden tauchen hier in ewig sich wiederholendem Rhythmus in 24 mit Wasser, Milch bzw. Altöl gefüllte Glasgefäße ein und wieder auf.

Steigt der Besucher noch einen Stock höher, taucht er selbst ein in einen „Wald“ flimmernder Leinwände und Monitoren. Hier wird das viel zu wenig bekannte filmische Werk Valie Exports zelebriert, angefangen mit ganz frühen medienkritischen Analysen und filmischen Experimenten bis hin zum feministisch bewegten Streifen „Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut“.

Bis 22.Jänner 2012.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2011)

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