Balkan: Edi Rama und die „Erniedrigung“ Serbiens

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Auf Druck der EU besuchte nach 68 Jahren wieder ein albanischer Premier Belgrad. Doch die Visite endete mit einem Eklat: Der Gast hatte den Kosovo als „regionale und globale Realität“ bezeichnet.

Mit dem üblichen Austausch von diplomatischen Höflichkeiten hielten sich Gast und Gastgeber nicht lange auf. Als „Provokation“ bezeichnete Serbiens ergrimmter Premier, Aleksander Vučić, in Belgrad die ihm über das Übersetzer-Kopfhörerset zugekommene Grußbotschaft seines albanischen Amtskollegen, Edi Rama. Und so donnerte Vučić bei der gemeinsamen Pressekonferenz: „Meine Pflicht ist es, dass ich es nicht zulasse, dass irgendjemand Serbien erniedrigt.“

Kein Übersetzer im Staatsfernsehen

War es Serbiens berüchtigter Zensurteufel, Unvermögen oder Zufall? Ausgerechnet bei der Live-Übertragung des ersten Besuchs eines albanischen Premiers in Serbien seit fast sieben Jahrzehnten hatte Serbiens Staatssender RTS die Verpflichtung eines albanischen Übersetzers „vergessen“. Und so tappte das heimische Publikum zunächst völlig im Dunkeln, warum sich Vučić über den seltenen Gast so erregt hatte: Es waren Ramas Erklärungen zum seit 2008 unabhängigen Kosovo, die seinen ungehaltenen Gastgeber in die Rolle des entschlossenen Landesverteidigers schlüpfen ließen: Denn die mittlerweile von 109 Mitgliedern der Vereinten Nationen anerkannte Eigenstaatlichkeit der Exprovinz wird von Belgrad noch immer abgelehnt.

„Wir können über verschiedene Standpunkte sprechen, aber das sollte uns nicht davon abhalten, die Wahrheit zu sagen“, schrieb Rama bei der gemeinsamen Pressekonferenz dem erbosten Vučić ins Stammbuch. Der Kosovo sei eine regionale und globale „Realität, die dem Balkan mehr Stabilität“ gebracht habe. Albanien und Serbien sollten darum „die Vergangenheit hinter sich lassen“ und für ihre „europäische Zukunft kooperieren“: Mit Genugtuung erwarte Albanien „jede neue Anerkennung der Realität“ von serbischer Seite.

Es sei abgesprochen worden, das Thema Kosovo nicht anzusprechen, ärgerte sich hernach Vučić über den vermeintlich fehlenden Respekt vor „serbischer Gastfreundschaft“: „Aber ich freue mich, die Realität des serbischen Standpunkts vor dem albanischen Premier zu wiederholen: Der Kosovo ist und bleibt ein Teil Serbiens – und hat mit Albanien nichts zu tun.“

Bilaterale Abkommen angekündigt

Auch Journalisten-Nachfragen nach ihrer Meinung zu dem abgebrochenen Fußballspiel zwischen beiden Nationen im Oktober, als eine Drohne mit einer Fahne Großalbaniens über dem Stadion in Belgrad gekreist war, sollten die Stimmung und verdüsterten Mienen der sich gegenseitig beim Vornamen nennenden Regierungschefs nicht aufhellen. Doch immerhin: Pflichtschuldig beteuerten beide Würdenträger, an dem von der Europäischen Union verordneten Verständigungspfad festzuhalten – und kündigten die Unterzeichnung von Abkommen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen, des Reiseverkehrs und Jugendaustauschs an.

Vučić schlug auch versöhnliche Töne an

Nur starker Druck der EU hatte Ramas historische Serbien-Visite ermöglicht. Und der Druck Brüssels wird die beiden EU-Anwärter nach der frostigen Premiere noch zu weiteren Pflichttreffen zwingen.

Bis zum nächsten Besuch eines albanischen Regierungschefs werde es sicher nicht weitere 60 Jahre währen, und er werde „gern“ eine Einladung nach Tirana annehmen, versuchte der grimmig dreinschauende Vučić bei der Pressekonferenz auch versöhnliche Töne anzuschlagen: „Wir werden immer alles geben, um gute und freundschaftliche Entwicklungen zu entwickeln. Und ich hoffe, dass Serbien und Albanien ihre Gespräche fortsetzen werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)

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