Kirchgang nach dem großen Aufruhr

(c) AP (Darryl Bush)
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Palmweihe in Stützenhofen, jenem Ort, in dem ein homosexueller Mann zuerst nicht, schließlich aber doch zum Pfarrgemeinderat zugelassen wurde.

Stützenhofen. Neugierige Fremde sind in Stützenhofen dieser Tage nicht willkommen. „Parken verboten. Das ist privat“, heischt eine Frau, deutet auf den riesigen Parkplatz eines Gasthauses. Kein Auto weit und breit. Nicht einmal für den Kirchgang? „Ich kann euch abschleppen lassen“, sagt sie und spaziert zur Kirche. Eine andere ereifert sich, will das Fotografieren auf der Dorfstraße verbieten.

In der Gemeinde am nördlichsten Rand des Weinviertels hat man genug von der Berühmtheit, die der Fall des Pfarrgemeinderates Florian Stangl, der wegen seiner eingetragenen homosexuellen Partnerschaft zu diesem Amt nicht zugelassen werden sollte, gebracht hat. Auf dem Platz vor der Kirche ist der Aufruhr Tuschelthema Nummer eins, auf der Website des Örtchens flammt eine eifrige Debatte. Laut darüber reden? Das will kaum jemand.

„Alles gesagt“, „nur aufgebauscht“, „ist ja eh gut ausgegangen“, „Lasst's uns damit in Ruhe!“, sagen die Stützenhofener. Einen alten Mann, der seine Meinung dann doch kundtun will, drängen zwei andere zur Seite. „Du, sag lieber nichts dazu!“ „Keine Fotos!“, sagt Pfarrer Gerhard Swierzek, der seit Tagen mit dem Vorwurf der Homophobie leben muss, und das ist fast das Einzige, was er dazu noch sagen will. Dabei sind es in dem Örtchen nicht viele, die sich an der Partnerschaft mit einem Mann, in der Stangl lebt, stoßen. Bei der Wahl zum Pfarrgemeinderat hat der 26-Jährige so viele Stimmen wie kein anderer Kandidat erhalten.

Keine Anfeindungen im Ort

Ob Stangl homosexuell sei oder nicht, das sei zuvor nie ein großes Thema gewesen, erzählt Daniel Kugl, Organist und selbst Pfarrgemeinderat. „Er war immer engagiert, schon immer dabei, und die Zustimmung war groß“, auch habe man im Vorfeld mit dem Dekanat abgeklärt, ob eine Kandidatur problematisch sei. Sei sie nicht, habe es geheißen. Der Pfarrer aber habe das anders gesehen.

„Warum soll er sich denn da nicht einbringen?“, meint auch der örtliche Feuerwehrkommandant nach der Messe. Schließlich seien Stangl und sein Partner auch bei anderen Vereinen engagiert. Stangl selbst sagt, er habe wegen seiner Kandidatur nie Anfeindungen erlebt. Am Palmsonntag ist der Behindertenbetreuer nicht zur Messe gekommen, er arbeitet bei einem Ostermarkt.

Der polnischstämmige Pfarrer Swierzek weiht an diesem Sonntag im eisigen Wind die Palmzweige, zieht mit der Prozession aus etwa 60 Gläubigen zur Kirche, zelebriert die heilige Messe. Erst zum Schluss wendet sich der Mesner an die Gemeinde, verliest eine, so heißt es, Richtigstellung: Der Pfarrer habe sich bei der Diözese informiert, ob die Kandidatur eines Mannes, der in homosexueller Partnerschaft lebt, zulässig sei. Als man erfahren habe, dass dies problematisch sei, war es schon zu spät, um die Liste noch zu ändern. Dass Kardinal Christoph Schönborn seine Meinung geändert habe, hätte man erst vergangenen Freitag erfahren.

An besagtem Freitag hat die Erzdiözese die Wahl in Stützenhofen bestätigt. Der Pfarrer verliest das Statement Schönborns zur Causa. Dieser hält etwa fest, dass es unter den Pfarrgemeinderäten viele gebe, deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprächen. Die Kirche freue sich über ihr Engagement.

„Zuerst den Menschen sehen“

In der „Pressestunde“ sagte Schönborn, er habe zunächst gemeint, ein in eingetragener Partnerschaft lebender Homosexueller sei mit den Regeln nicht kompatibel. Jedoch: „Ich frage mich in diesen Situationen: Wie hat Jesus gehandelt? Er hat zuerst den Menschen gesehen.“ Während der Kardinal den Fall im ORF bespricht, verweigert Pfarrer Swierzek nach der Messe jedes Gespräch. „Alles, was zu sagen ist, ist gesagt“, sagt er, steigt ins Auto und schlägt die Türe zu.

Auf einen Blick

Ein Pfarrgemeinderat, der in einer Partnerschaft mit einem Mann lebt und deshalb nicht zu diesem Amt zugelassen werden sollte, sorgt für Aufregung. Kardinal Schönborn hat nach einem Gespräch mit Florian Stangl doch grünes Licht gegeben. Die Kirche freue sich auch über das Engagement jener, deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen, so Schönborn. An kirchlichen Regeln wolle er aber nicht rütteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2012)

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