Studie: Fukushima ließ deutsche Immobilienpreise sinken

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Die Reaktorkatastrophe hat nicht nur die deutsche Energiepolitik verändert, sie ließ auch Immobilienpreise in AKW-Nähe sinken.

Die Reaktorkatastrophe hat nicht nur die deutsche Atomenergiepolitik gehörig verändert, sie ließ auch die Immobilienpreise in AKW-Nähe sinken. Die Stilllegung und Laufzeitverkürzung deutscher Atomkraftwerke (AKWs) nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hat die Immobilienpreise in der Nähe deutscher AKWs deutlich sinken lassen. Dies ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie (Bauer, Braun und Kvasnicka, 2013), für die wir Daten des Internet-Immobilienportals „ImmobilienScout24" zu über 1,5 Millionen Häusern ausgewertet haben. So fielen die Preise für Häuser in AKW-Nähe nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima um durchschnittlich 5%. Verantwortlich für die fallenden Immobilienpreise scheinen die (erwarteten) wirtschaftlichen Folgen einer AKW-Schließung für die umliegende Region zu sein.

Bereits drei Tage nach dem Reaktorunfall in Japan im März 2011 wurden sieben der insgesamt 17 deutschen AKWs vorübergehend stillgelegt. Anfang Juni 2011 beschloss die Bundesregierung ihre endgültige Schließung. Auch das AKW Krümmel, das bereits seit 2009 nicht mehr am Netz war, wurde endgültig geschlossen. Die Laufzeit der übrigen neun deutschen Kernkraftwerke wurde begrenzt, das letzte wird im Jahr 2022 vom Netz gehen. Der Atomausstieg wurde zwar von einer Mehrheit der Bundesbürger begrüßt, stieß aber in den betroffenen Regionen auch auf Skepsis. In lokalen und überregionalen Zeitungen wurde insbesondere vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und vor sinkenden Gewerbesteuereinnahmen infolge der Schließung von AKWs gewarnt. Mögliche negative Folgen des Atomausstiegs auf eine Region sollten sich nicht zuletzt in fallenden Immobilienpreisen widerspiegeln.

1,5 Millionen Häuser untersucht

Um die Auswirkungen der Atomkatastrophe von Fukushima und des darauffolgenden Atomausstiegs auf den deutschen Immobilienmarkt zu untersuchen, haben wir die Preise von über 1,5 Millionen Einzelhäusern ausgewertet, die zwischen März 2007 und März 2013 auf dem Internet-Immobilienportal "ImmobilienScout 24" angeboten wurden. Nicht berücksichtigt wurde der März 2011, in dem sich das Unglück in Japan ereignete. Die empirische Analyse vergleicht die Preisentwicklung von Häusern, die im Umkreis von 5km um ein deutsches Kernkraftwerk liegen, mit der Preisentwicklung von Häusern außerhalb dieses Radius. Die Analyse berücksichtigt dabei Unterschiede in Größe und Ausstattung der Immobilien.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Preise von Häusern in AKW-Nähe nach Fukushima um durchschnittlich 5% gefallen sind. Noch deutlich stärker war dieser Effekt in der Nähe von Kernkraftwerken, die nach den Vorfällen in Japan stillgelegt wurden: Hier fielen die Häuserpreise bis März 2013 um fast 10%. Dagegen gaben die Hauspreise im Umkreis deutscher AKW-Standorte, die nach dem Reaktorunfall in Betrieb blieben, nur um gut 3% nach. Vor dem Unglück in Fukushima hatten sich die Hauspreise in AKW-Nähe noch entsprechend des bundesdeutschen Durchschnitts entwickelt (siehe Abbildung 1). Keinen Effekt hatten das Unglück in Fukushima und der darauffolgende Atomausstieg im Übrigen auf die Preise von Häusern im Umfeld von AKW-Standorten, die zum Zeitpunkt des Unglücks nicht in Betrieb waren.

Abbildung: Die relative Entwicklung von Häuserpreisen in der Nähe von deutschen AKWs, März 2007 bis März 2013.



Anmerkung: Die Grafik zeigt die Entwicklung der Preise für Häuser in einem Umkreis von 5 Kilometern um deutsche Kernkraftwerke relativ zur Entwicklung der Preise von Häusern außerhalb dieses Radius. Der Reaktorunfall in Fukushima ereignete sich im März 2011. Die Unterschiede vor diesem Zeitpunkt sind nicht statistisch signifikant von Null verschieden.

Schlechtere regionale Wirtschaftslage

Für die sinkenden Immobilienpreise rund um deutsche AKWs könnten grundsätzlich zwei Effekte verantwortlich sein: Zum einen verschlechtert sich mit der Schließung eines AKWs zumindest vorübergehend die wirtschaftliche Lage einer Region. Arbeitsplätze gehen verloren, die Umsätze von Hotels und Restaurants sinken, die Kommunen haben niedrigere Gewerbesteuereinnahmen. Diese schlechteren Rahmenbedingungen spiegeln sich auch in den Immobilienpreisen wider, die Region verliert an Attraktivität. Zum anderen wird nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima gerade in Deutschland Atomenergie als gefährlicher wahrgenommen. Entsprechend wird das Wohnen in AKW-Nähe unattraktiver und die Immobilienpreise sinken. Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass vor allem die wirtschaftlichen Folgen des Atomausstiegs für die fallenden Hauspreise verantwortlich sind. Denn diese sanken besonders stark im Umkreis von deutschen AKWs, die nach dem Vorfall in Japan abgeschaltet wurden, von denen also keine unmittelbare Gefährdung mehr ausging.

Literatur:

Bauer, Thomas K., Sebastian Braun und Michael Kvasnicka (2013). Distant Event, Local Effects? Fukushima and the German Housing Market. Kiel Working Paper, 1857. ©KOF ETH Zürich, 17. Jan. 2014.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

Die Autoren

Thomas K. Bauer hat 2003 den Lehrstuhl für Empirische Wirtschaftsforschung an der Ruhr-Universität Bochum übernommen. Seine akademische Karriere begann er mit einem VWL-Studium an der Universität München. Danach forschte er im Rahmen eines Feodor-Lynen-Forschungsstipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ein Jahr an der Rutgers University, New Jersey (USA).
Sebastian Braun ist Leiter des Forschungsbereiches "Globalisierung und Wohlfahrtsstaat" am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Er studierte an der Universität Hamburg, der University of St Andrews und der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte im Rahmen des "Berlin Doctoral Program in Economics & Management Science" bei Michael C. Burda.
Michael Kvasnicka ist Leiter der Forschungsgruppe Migration am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und affiliiert mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft sowie dem Institut der Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Er studierte an der University of Oxford sowie am University College London und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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