Fünf Männer haben nach dem Ersten Weltkrieg unter widrigen Umständen die Salzburger Festspiele gegründet - der weltberühmte Komponist Richard Strauss, der Wiener Hofoperndirektor Franz Schalk und der Bühnenbildner Alfred Roller, die heute weniger bekannt sind, vor allem aber noch zwei Theatermacher, die bis heute eine besondere Leuchtkraft haben: der Regisseur Max Reinhardt (1873 - 1943) und der Dichter Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929). Mit dem "Jedermann" begannen am 22. August 1920 im barocken Ambiente des Salzburger Domplatzes offiziell die Festspiele. Über Jahrzehnte war Reinhardts Inszenierung von Hofmannsthals "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" gültig, bis heute ist dieses Drama mit seinen spätmittelalterlichen Wurzeln Kernbestand des Festivals.
"Jedermann" war von Anfang an Salzburg. Konzerte kamen erst ein Jahr später hinzu und die Opern gar erst 1922, natürlich erst jene von Wolfgang Amadeus Mozart. Ab 1925 (im Jahr zuvor fielen die Festspiele aus) setzte sich das Gesamtkonzept von Schauspiel, Konzert und Musiktheater durch. Das Programmatische kam von Hofmannsthal und Reinhardt. 1918 hatte Europas damals berühmtester Impresario Schloss Leopoldskron erworben. Bereits im Jahr zuvor hatte er seine weit vorausblickende "Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn" geschrieben, mitten im Krieg. Es wurde nichts daraus, draußen im Grünen. Reinhardt träumte von einem Friedenswerk, einem Kontrastprogramm zum "Weltenbrand". In Hofmannsthal fand er einen starken Verbündeten. In seinem ersten Aufruf zum Festspielplan 1919 plädierte der Dichter für die Erneuerung eines "Europäismus, der die Zeit von 1750 bis 1850 erfüllt und erhellt hat".
Bis zur Gründung mussten die fünf Proponenten noch gegen starke Widerstände in der Bevölkerung kämpfen. Auch offen gegen Reinhardt gerichteter Antisemitismus spielte eine Rolle. Vor allem aber befürchteten die Zweifler, dass wegen des Zustroms von Touristen in der Stadt die Lebensmittel knapp werden könnten. Die Festspiele stellten sich bald als Gewinn heraus, auch als wirtschaftlicher. Jedes Jahr erweist sich von neuem, wovon der Regisseur träumte: "Die ganze Stadt ist Bühne". 18 Jahre lang leitete Reinhardt das Schauspiel, ehe er vor den Nazis ins Exil flüchtete. Seine letzte Regiearbeit in Salzburg: Goethes "Faust" 1937. Hofmannsthal war zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre tot.
Mozart, wen sonst, wollte man an der Salzach ehren, als man Anfang der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts daran ging, Festspiele ins Leben zu rufen. Zwar, der berühmteste Sohn der Stadt hatte einst kein gutes Haar an den Salzburgern gelassen, aber das war längst vergessen. Kein Komponist hat es wie er geschafft, zum Synonym für Musik überhaupt zu werden. Den Namen kennt alle Welt. Und deren Augen sollten auf eine Stadt im ehemaligen Habsburger-Reich gerichtet werden, das eben auf ein kaum lebensfähiges Maß zusammengeschrumpft war. Die Kultur aber, Musik vor allem, könnte etwas vom alten Glanz für die Zukunft bewahren und Salzburg vielleicht zu einem Zentrum des erwachenden europäischen Geistes machen. Davon träumte jedenfalls Hugo von Hofmannsthal, der Seite an Seite mit dem berühmtesten Komponisten seiner Zeit, Richard Strauss, den Festspielgedanken entwickelte. Strauss warf von Anbeginn sein ganzes Gewicht als Komponist und Dirigent in die Waagschale – und sicherte seinem Schaffen denn auch einen bedeutenden Stellenwert im Festspielprogramm. Wie Hofmannsthals "Jedermann" waren bald auch die wichtigsten Opern von Richard Strauss nicht mehr wegzudenken und bildeten mit Mozarts Musiktheater-Werken das Rückgrat des Spielplans, von Anfang an – bis heute.
Herbert von Karajan – über Jahrzehnte identifizierte man die Salzburger Festspiele mit diesem Namen: Karajan war der absolute Herrscher, alles schien seinen künstlerischen Plänen untergeordnet. Tatsächlich garantierte der „Maestro assoluto“ dem Festival besonderen Glanz, denn nach seinem Abgang von der Wiener Staatsoper, 1964, dirigierte er Opern wirklich nur noch in Salzburg. Man musste ins Festspielhaus pilgern, das 1960 nach seinen Vorstellungen in der alten Reitschule am Mönchsberg gebaut wurde, um Karajan als Musiktheater-Prinzipal zu bewundern. Er dirigierte ja nicht nur, sondern inszenierte in vielen Fällen die Opern selbst. Er war es auch, der neben den Hausgöttern Mozart, dem genius loci, und Richard Strauss, dem Festspiel-Gründer, auch Verdi zum führenden Komponisten der Festspiel-Programme machte. Viele Diskussionen gab es, als er für die Melomanen etwa den „Troubadour“ auf den Spielplan setzte, später gab es neben vielen Reprisen der Schiller-Oper „Don Carlos“ auch „Aida“. In seinem letzten Lebensjahr arbeitete Karajan an einer Produktion von „Un ballo in maschera“, die er dann aber nur noch für CD aufzeichnen konnte; die Premiere, wenige Wochen nach Karajans Tod 1989, dirigierte Sir Georg Solti. An die Ära Karajan erinnern zahlreiche Live-Mitschnitte aus dem Festspielhaus, die Sternstunden vokaler und orchestraler Kunst dokumentieren, ob der erwähnte „Trovatore“ (mit Franco Corelli und Leontyne Price) oder Strauss’ „Elektra“ und „Rosenkavalier“, ob Mozarts „Don Giovanni“ oder Mussorgskis „Boris Godunow“ (beide mit Nikolaj Gjaurow in den Titelpartien). Doch hat der Maestro stets darauf Wert gelegt, dass an der Salzach auch Uraufführungen stattfanden, um das Repertoire zu erweitern. Carl Orff und Hans Werner Henze, Friedrich Cerha und Luciano Berio, Krzysztof Penderecki oder Lokalmatador Gerhard Wimberger schrieben Auftragsstücke. Und unter den Dirigenten, die Karajan neben sich duldete, fand sich von Anfang an – neben dem großen Karl Böhm – die Crème de la Crème des hoffnungsvollen „Nachwuchses“: von Claudio Abbado und Lorin Maazel bis Zubin Mehta . . .
Dass Mozarts Werke das Rückgrat des Festspielprogramms bilden, lässt sich auch statistisch feststellen: Im Ranking der meistgespielten Opern besetzen seine die ersten fünf Plätze. „Le nozze di Figaro“ wurde von 1920 bis 2016 258 Mal aufgeführt, die „Zauberflöte“ 221 Mal. Auch Strauss' „Rosenkavalier“ und Beethovens „Fidelio“ finden sich unter den Top Ten.
Im Bereich Schauspiel führt „Jedermann“ das Ranking klar an: Am Ende der heurigen Festspiele wird das Stück 672 Mal aufgeführt worden sein. Kein anderes Stück kommt auch nur annähernd an diese Zahl heran. Shakespeares "Sommernachtstraum" wurde insgesamt 67 Mal auf die Bühne gebracht, Goethes "Faust" (Der Tragödie erster Teil) bringt es auf 52 Aufführungen.
Es ist das Herzstück der Salzburger Festspiele: Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" auf dem Domplatz. Seit 1920 wird das Stück gespielt, meist in hochkarätiger Besetzung. Besonderes Medien-Interesse ruft die Besetzung der Buhlschaft hervor. Sie stellt das blühende Leben, die personifizierte Verführung dar – der Gegenpart zum sterbenden Mann.
Die Moral der Geschichte vom Sterben des reichen Mannes ist zutiefst religiös – auch ein Grund, warum Kritiker das Stück immer wieder als zu gestrig bezeichnen. Die Schwierigkeit des "Jedermann" liegt jedoch darin, das Publikum zu rühren und gleichzeitig zu belehren – ohne dabei platt zu wirken. Eine Gratwanderung.
28.6 Millionen Euro – so hoch waren die Karteneinnahmen der Salzburger Festspiele im Vorjahr. Rund 16 Millionen Euro kamen durch Förderungen der öffentlichen Hand hinein. Die 188 Vorstellungen waren zu 95 Prozent ausgelastet, über 263.000 Besucher wurden gezählt.
Der durchschnittliche Festspielgast ist Stammgast, er hat das Festival schon 18 Mal (!) besucht. Er reist extra dazu an (nur 20 Prozent der Besucher kommen aus der Region Salzburg) und bleibt im Schnitt 7,2 Tage (in einem gehobenen Hotel) in Salzburg. Während dieser Zeit sieht er sich 4,2 Vorstellungen an. Die Salzburger Festspiele sind übrigens nicht das einzige Festival, das er besucht – auch Bayreuth, München oder Bregenz stehen auf seinem Programm. In Salzburg gibt er täglich rund 317 Euro für Übernachtung, Verpflegung, Einkäufe, etc. aus. Dazu kauft er Festspielkarten für insgesamt 550 Euro.
Die Daten stammen aus einer Studie, die das Zentrum für Zukunftsstudien der FH Salzburg 2011 durchgeführt hat, um die wirtschaftliche Bedeutung der Festspiele für die Region zu erfassen. Dazu wurden die Festspielbesucher nach ihren Ausgaben, der Länge ihres Aufenthalts und ihren „Festspielgewohnheiten“ befragt.