Shakespeare:
Genie, Hassfigur, ewiges Mysterium

Wer war William Shakespeare wirklich? Was muss man von ihm lesen? Und wie ließ er seine Figuren am liebsten sterben? Der größte Schriftsteller der Menschheit, zum 400. Todestag erklärt in zehn Kapiteln. Klicken oder scrollen Sie sich durch unser Digital-Dossier mit Hintergründen, Bildern, Grafiken und Videos.

Planung und Text: Norbert Mayer, Heide Rampetzreiter, Christoph Huber und Katrin Nussmayr
Grafiken: Petra Winkler, Marin Goleminov, Technische Umsetzung: Katharina Klotz

1. Was man über Shakespeare weiß: Die Fakten

Das erste Dokument über William Shakespeare ist das Taufregister der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon:„Giulielmus filius Johannes Shakespeare“ steht unter der Rubrik 1564 bei der Eintragung zum 26. April. Das lässt auf eine Geburt bis zu fünf Tage zuvor schließen. Die Eintragung ist mit drei Kreuzen unterzeichnet. Vater John, ein angesehener Bürger der Stadt in Warwickshire, der die aus begüterter Familie stammende Mary Arden heiratete und es bis zum Bürgermeister und Friedensrichter brachte, konnte offenbar nicht schreiben.

Dann gibt es 18 Jahre ohne irgendeine Erwähnung. Im nächsten Dokument notiert ein Beamter der Diözese Worcester im bischöflichen Register am 27. November 1582 die Heirat von „Willelmum Shaxpere et Annam Whateley de Temple Grafton. Es handelt sich offensichtlich um „Anne Hathwey of Stratford“, die sieben Jahre älter war als William. Sechs Monate später, am 26. Mai wird die Taufe der Tochter Susanna dokumentiert, am 2. Februar 1585 die der Zwillinge Hamnet und Judith. Hamnet wird mit elf Jahren sterben, da ist Shakespeare längst in London.

Es folgen nach 1585 wieder undokumentierte Jahre - „the lost years“. Shakespeare wird erst 1592 vom Dichter Rober Greene in einem Pamphlet als „Upstart Crow“ unter den Dramatikern bezeichnet - offenbar ein Plagiatsvorwurf. Damals hatten Shakespeares Jahre des Ruhms auf dem Theater, der 1598/99 seinen Gipfelpunkt erreichte, bereits begonnen.

Gedruckte Einzelausgaben seiner Stücke (Quartos) nennen ihn als Autor, so wie die 1609 veröffentlichten Sonette und die frühen Versepen.

An die hundert Dokumente über Shakespeare sind erhalten. Das ist außergewöhnlich viel für einen Bürgerlichen in dieser Zeit. Es geht um Wohnorte, Mitbesitz an Theatern, einen Prozess, Schuldeintreibungen, die Verleihung eines Wappens an den Vater, Haus- und Grunderwerbung in Stratford. Ein paar Unterschriften, eine handschriftliche Passage im kollektiv verfassten „The Book of Sir Thomas Moore“ könnten von Shakespeares eigener Hand sein. Aber keine persönlichen Briefe, keine Tagebücher sind erhalten. Die gesammelten Dramen erscheinen erst 1623, sieben Jahre nach seinem Tod, die von Kollegen erstellte „First Folio“-Ausgabe. 18 Stücke darin, also die Hälfte, waren zuvor nicht gedruckt worden.

Die letzten Dokumente in Shakespeares Todesjahr: Die Hochzeit der Tochter Judith mit Thomas Quiney in Stratford, das geänderte Testament vom 5. März, in dem er seiner Frau neben dem Pflichtteil von einem Drittel des Vermögens das „secondbest bed“ vermacht. Shakespeares Begräbnis war am 25, April 1616. Wie er starb, bleibt wie so vieles im Dunkeln.

2. Zeitleiste: Leben und Stücke
3. Gab es Shakespeare wirklich? Theorien und Spekulationen

Lange wurde William Shakespeare als Dichter himmelhoch gelobt, dann traute niemand diesem einfachen Bürger aus Stratford-upon-Avon zu, der beste Dramatiker der Neuzeit zu sein. Auf die Vergötterung des Barden im 18. folgte im 19. Jahrhundert der Zweifel an seiner Autorenschaft. Ein Wilddieb und Pferdeknecht, wie die Legende sagt, als Schöpfer von „Hamlet“ und „King Lear“? Zu den Zweiflern zählten Henry James, Otto von Bismarck, Mark Twain und Walt Whitman. Inzwischen gibt es sieben Dutzend Kandidaten, die statt des Burschen vom Lande im multikulturellen London diese Stücke, Sonette und Versepen geschrieben haben sollen.

Die wildesten Spekulationen

Francis Bacon (1561 – 1626) soll der „echte“ Shakespeare gewesen sein. Die Lebenszeit des Gelehrten, Lordkanzlers, Philosophen passt sogar. Sonst aber spricht fast alles gegen die Theorie, die eine gewisse Missionarstochter namens Delia Bacon 1857 in einem Buch propagierte. Bacon aber hasste das Theater und war ein miserabler Dichter. Er war mit Politik und Denken ausgelastet.

Christopher Marlowe (1564 – 1593) hieß der nächste Favorit der Verschwörungstheoretiker, die auch schon die Herrschaften Francis Drake, Thomas More oder Walter Raleigh ins Spiel brachten. Marlowe, ein begabter junger Dramatiker und Spion, wurde mit 29 Jahren im Wirtshaus erstochen. Wie kann er dann all die Stücke geschrieben haben, die nach 1593 unter Shakespeare erschienen sind? Ganz einfach für Marlowianer: Kit hat überlebt, ging ins Exil und schrieb unter Pseudonym. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Elizabeth I (1533 – 1603). Im Ernst? Sie war gar nicht die Königin, erwidert der Shakespeare-Intimkenner und Stratfordianer Frank Günther ironisch in seinem neuen Buch „Unser Shakespeare“ und wärmt alte Gerüchte auf. Die Prinzessin starb im Tower, statt ihr präsentierte man dem aufgebrachten Volk einen Schauspielknaben, als die Situation für Elizabeths Vorgängerin, die blutige Mary, mulmig wurde. Shakespeare war eine Drag-Queen, die spätabends nach dem Regieren heimlich dichtete. Noch Fragen?

Edward de Vere (1550 – 1604). Der 17. Earl of Oxford ist seit 20 Jahren der heißeste Kandidat für deutschsprachige Hobby-Forscher wie Kurt Kreiler (2009) oder Walter Klier (1994). Auch sie stört der frühe Tod nicht. Es müssen nur ein paar hundert eingeweihte Londoner die Chroniken fälschen, die Drucke umdatieren, und niemand darf es weitersagen. Ein Vorschlag zur Güte: Roland Emmerich hat Shakespeares Dramen geschrieben. Er lebt heute anonym in Frankreich und schreibt die Suche nach der verlorenen Zeit fort, die Marcel Proust niemals verfasst hat.

4. Zehn Tipps: Das Beste von William Shakespeare
Man sollte eigentlich alles von ihm lesen. Aber vor die Wahl gestellt, gibt es doch Favoriten.

  • 1. „The Tragedy of Hamlet, Prince of Denmark“ (1600/1601): Das Drama des zaudernden dänischen Prinzen ist das größte Rätsel der Shakespeare-Forschung. Hamlet wird vom Geist seines ermordeten Vaters verpflichtet, ihn zu rächen. Er soll den mörderischen Onkel Claudius, der nun auf dem Thron sitzt und Hamlets Mutter Gertrude geheiratet hat, töten. Der Titelheld nimmt sich Zeit mit dem Auftrag, spielt Theater, ehe totale Auslöschung folgt.
  • 2. „The Most Excellent and Lamentable Tragedy of Romeo and Juliet“ (1595): Nie wurde die Liebe bei den Elisabethanern schöner und trauriger dargestellt. Romeo Montague liebt die blutjunge Julia aus dem verfeindeten Hause Capulet. Ihr Glück dauert eine heimliche Hochzeitsnacht nur, denn bald schon trällert die Lerche, der verbannte Romeo muss fliehen. Die List des Paares misslingt, dann liegen beide tot in der Familiengruft.
  • 3. „King Lear“ (ca. 1605): Nihilismus aus der grauen Vorzeit. König Lear teilt sein Reich unter den Töchtern auf. Verblendet verstößt er Cordelia, die jüngste der drei, die ihn als einzige zwar ehrlich liebt, ihm aber nicht schmeicheln will. Die Guten sind bis auf Ausnahmen die Verlierer, aber auch die Bösen sterben in irren Machtkämpfen. Ausgesetzt auf der Heide wird Lear wahnsinnig, er stirbt nach der Ermordung Cordelias an gebrochenem Herzen.
  • 4. „A Midsummer Night's Dream“ (1595/96) Einfach zauberhaft ist diese Komödie über die Paarbildung, sowohl im Geisterreich als auch bei den noblen Athenern. Der schalkhafte Puck schafft mit einem Trank Verwirrungen bei den Verliebten Hermia, Demetrius, Lysander und Helena. Feenkönigin Titania verknallt sich, weil ihr Gatte Oberon das so will, in einen braven Mann mit Eselskopf. Ach, dieser Bottom, ein Handwerker voll unglücklicher Poesie!
  • 5. „Much Ado About Nothing“ (1598 – 99): Besser als das Liebespaar Beatrice und Benedick kann man nicht streiten. Die beiden stellen sogar die Protagonisten Hero und Claudio in den Schatten, die mit einem raffinierten Verrat zu kämpfen haben, der sie auseinanderbringen soll. Diverse Liebesgeschichten im hitzigen Messina sind kunstvoll verschränkt zu einem leichtgängigen Spiel voller Wortwitz, den vor allem Beatrice beherrscht.
  • 6. „Measure for Measure“ (1603): Ist es tatsächlich eine Komödie, wenn der Herzog von Wien so tut, als ob er abdankt, der falsche Moralist Angelo die Macht übernimmt und puritanisch eine Todesstrafe verhängt? Die keusche Isabella aber wird dem geilen Eiferer zum Verhängnis. Längst hat der als Mönch verkleidete Herzog Vincentio die Fäden wieder in der Hand, spinnt eine feine Intrige und fordert schließlich Maß für Maß.
  • 7. „Macbeth“ (1605/6): Thane of Cawdor wird der Schotte Macbeth zum Lohn dafür, dass er einen Aufstand gegen König Duncan niederschlagen hilft. Doch Hexen schüren den Ehrgeiz des Aufsteigers, auch seine blutrünstige Lady fordert, dass er nach der Krone greift, stiftet ihn zum Mord am Monarchen an. Das ist nur der Beginn des Gemetzels in dieser kürzesten Tragödie. Das neue Königspaar verstrickt sich im Kreislauf des Bösen und kommt darin um.
  • 8. „The Tragedy of Othello, the Moor of Venice“ (1603/4): Der siegreiche Admiral von Venedig hat sich den abgrundtief bösen Kameraden Jago zum Feind gemacht, weil der bei einer Beförderung übergangen wurde. Jago richtet es so ein (das verräterische Taschentuch!), dass der Immigrant im Dienste der Republik an die Untreue der Gattin glaubt. Blindes Vertrauen und Eifersucht führen dazu, dass Othello seine Desdemona erstickt und sich selbst erdolcht, als er zu spät seinen Irrtum erkennt.
  • 9. „The Tragedy of Julius Caesar“ (1599): Der Titelheld ist auf dem besten Weg, ein gottgleicher Herrscher Roms zu werden. Um das zu verhindern, bringen ihn Verschwörer zu den Iden des März im Senat um. Auch Adpotivsohn Brutus sticht zu. Marc Anton bringt das Volk mit glänzender Rhetorik gegen die Mörder auf, sie müssen fliehen. Caesars Geist sucht Brutus heim, die Verschwörer sterben. Im Bürgerkrieg setzt sich Marc Anton durch. Vorerst.
  • 10. „Shake-spear's Sonnets, Never before Published“, wurden 1609 veröffentlicht. Geschrieben hat er die 154 „gezuckerten“ Gedichte wahrscheinlich weit davor, ab 1590. Die kunstvoll verschränkten Vierzehnzeiler, die in Italien erfunden wurden, waren damals in England groß in Mode. Shakespeare hat sie perfektioniert. Und noch immer rätselt man, wer der Geliebte in diesen Versen ist und wer die dunkle Dame, die den Dichter betört.
5. Gut & Böse: Die wichtigsten Figuren

Shakespeare schuf zeitlose Figuren: Überlebensgroße Helden, Schurken mit tiefschwarzer Seele und mörderisch ehrgeizige Frauen. Vier Helden und Antagonisten im Kurzporträt.


Heinrich V. aus „Heinrich V.“
Vom jungen Wilden zum weisen Monarchen gereift, zieht Heinrich V. – nach einer Beleidigung der Franzosen – in die Schlacht. Am Ende wird er nicht nur mit Macht, sondern auch mit Liebe belohnt. Volksnah, klug und stark, ist Heinrich V das Idealbild eines Königs und britischer Nationalheld.

Richard III aus „Richard III“
Was für ein Bösewicht! Der hässliche und missgebildete Richard, erst Herzog von Gloucester, später König, lässt seinen Bruder, die Neffen und seine Ehefrau ermorden. Zum Verhängnis wird ihm schließlich der Tod seines Pferdes: „My kingdom for a horse!“ schreit er, bevor er sich selbst die Kehle durchschneidet. Ein Abziehbild für Antagonisten, das auch Schiller inspirierte.

Rosalind aus „Wie es euch gefällt"
Die Mutige. In Männerkleidern rettet und befreit Rosalind nicht nur sich selbst und ihre Freundin Celia, sondern verzaubert in der selbstreferentiellen Komödie („All the world's a stage“) auch den liebenswerten Orlando. Fast schade, dass die Freigeistin aus dem Robin Hood'schen Wald Arden am Ende in den sicheren Ehehafen segelt.

Lady Macbeth aus „Macbeth“
Von Machtgier zerfressen, manipulativ und blutdürstig: Lady Macbeth überredet ihren Gatten zum Königsmord, zerbricht jedoch an ihrer Schuld. Die vornamenlose Dame ist einer der besten Schurken der Theatergeschichte, wenngleich oft einseitig dämonisiert. Welch Faszination der Typus skrupellose Ränkeschmiedin bis heute ausübt, ist aktuell etwa in der US-Serie „House of Cards“ zu sehen.

6. Shakespeares Welt

Wo Shakespeare wohnte und wo seine Stücke spielen


7. Halbgott und Hassfigur

Die Shakespeare-Vergötterer:

Für die Vergötterer, spätestens seit der Romantik und vor allem auch in Deutschland, ist evident, dass Shakespeare der Größte war. Doch es gab auch vehemente Ablehnung.

In der Romantik schrieb Samuel Taylor Coleridge, dass in Shakespeare eine Weisheit sei, die tiefer gehe als unser Bewusstsein. Der Barde habe gottgleiche Talente gehabt. Jede seiner „majestätischen Zeilen“ sei auf den ersten Blick zu erkennen, behauptete Coleridge in Vorlesungen.

Johann Wolfgang von Goethe begeisterte sich mit 22 Jahren für das englische Vorbild, dessen intensive Verehrung in Deutschland in der Generation zuvor bei Gotthold Ephraim Lessing und Johann Gottfried Herder begonnen hatte.

Die Shakespeare-Verachter:

Voltaire hat viel dazu beigetragen, dass Shakespeare in Frankreich bekannt wurde. In den „Lettres Philosophiques“ bewunderte er ihn noch. Doch mit zunehmendem Alter verrannte sich dieser große Denker der Aufklärung in der Kritik an dem Engländer, sein Werk sei „die Frucht der Inspiration eines betrunkenen Wilden“. Shakespeare besäße „keinen Funken von Geschmack“ und habe "keine Kenntnis der Regeln“. Er wolle nicht, dass dieser „Barbar“ das zivilisierte Frankreich erobere.

Der anglo-irische Dramatiker George Bernard Shaw schrieb 1896 in einer Kritik des „Cymbeline“, es handle sich um einen „theatralischen Müll der niedersten melodramatischen Art, der teilweise schrecklich schlecht geschrieben“ sei – „vulgär, närrisch, verletzend, schamlos“. Shaw wurde für diese Attacke selbst auf das Heftigste angegriffen.

8. Shakespeare in Zahlen und Grafiken
9. Die Todesarten: Wer stirbt wie?

Die Todesfälle in Shakespeares Tragödien (Auswahl)

10. Filme

Dutzende Male wurden Shakespeares Stücke seit der Erfindung des Films auf Leinwand gebracht. Hier die wichtigsten Verfilmungen.

1. Laurence Oliviers Film-Klassiker

Mit „The Chronicle History of King Henry the Fift with His Battell Fought at Agincourt in France“, wesentlich bekannter unter seinem Kurztitel „Henry V.“ startete der nicht zuletzt für seine Shakespeare-Bühnenrollen gefeierte britische Mime Laurence Olivier 1944 seine Regiekarriere, mit „Hamlet“ (1948) und „Richard III.“ (1955) vollendete er mit jeweils gesteigerten Ambitionen eine große Trilogie, bei der er selbstverständlich auch die Titelrollen interpretierte: Der Inbegriff klassischer Shakespeare-Verfilmungen.

2. Der Shakespeare des japanischen Meisters

Für sein bildgewaltiges Historienpos „Ran“ (1985) kombinierte der japanische Meisterregisseur Akira Kurosawa eine japanische Legende aus dem 16. Jahrhundert mit Elementen von Shakespeares „King Lear“ zum monumentalen Alterswerk. Fast genauso eindrucksvoll war Kurosawas erster Shakespeare-Film: „Kumonosu-jô“ („Das Schloss im Spinnwebwald“, 1957) verlegte „Macbeth“ nach Japan, als düstere Schauermär mit einem legendären Ende im Pfeilhagel für Toshiro Mifunes verräterischen Fürsten.

3. Drei Shakespeare-Filme von und mit Orson Welles

Orson Welles hatte am Theater berühmte Shakespeare-Inszenierungen vorgelegt, bevor er zum umstrittenen Kino-Wunderkind der Traumfabrik wurde. Drei Shakespeare-Filme konnte er im Lauf seiner schwierigen Karriere vollenden und spielte auch überlebensgroß die Hauptrollen. Seinen expressionistischen Versionen von „Macbeth“ (1948) und „Othello“ (1952) folgte mit „Chimes at Midnight“ („Falstaff“, 1966) der kühnste Wurf: Welles montierte den Film aus fünf Shakespeare-Stücken. (Seine spätere Version von „The Merchant of Venice“ ist leider nur unvollständig erhalten.)

4. Sowjetische Adaptionen

Der sowjetische Regieveteran Grigorij Kozincev beendete seine Laufbahn mit zwei herausragenden Shakespeare-Adaptionen – auch er konnte dabei auf reiche Bühnenerfahrung mit den Stücken des Barden (und die russischen Übersetzungen des späteren Nobelpreisträgers Boris Pasternak) zurückgreifen: „Gamlet“ („Hamlet“, 1964) und „Korol Lir“ („King Lear“, 1971) bestechen zudem mit schwarzweißen Breitwandpanoramen und meisterhaft-grimmiger Musikuntermalung von Dmitri Schostakowitsch.

5. Prominent besetzter „Julius Caesar“

Regisseur und Autor Joseph L. Mankiewicz galt als der wortgewandteste Künstler im Nachkriegs-Hollywood – kein Wunder das es ihn zu Shakespeare zog: Seine berühmte Version von „Julius Caesar“ (1953) demonstriert seine vielgerühmte Intelligenz und bietet ein veritables Who's Who beeindruckend aufspielender angloamerikanischer Darstellerprominenz – von Marlon Brando über James Mason zu John Gielgud.

6. Kenneth Branaghs Shakespeare-Verfilmungen

Viele Filmregisseure zog es wiederholt zu Shakespeare, aber keiner war so fleißig wie der Brite Kenneth Branagh: Mit „Henry V“ (1989), „Much Ado About Nothing“ (1993), „Othello“ (1995), „Hamlet“ (1996), „Love's Labour Lost“ (2000) und „As You Like It“ (2006) versuchte er sich sechsmal, wobei er künstlerisch zunächst im Schatten von Laurence Olivier blieb, bevor er es mit exzentrischeren Ansätzen versuchte – „Love's Labour Lost“ machte er zum Musical, „As You Like It“ verlegte er nach Japan.

Hamlet

7. Roman Polanskis abgründiger „Macbeth“

Der polnische Emigrant Roman Polanski wurde im Westen zum Regiestar, sein Faible für das Abgründige wurde nach der Ermordung seiner Frau Sharon Tate 1969 noch gesteigert. Schon der volle Titel seiner „Macbeth“-Version – „The Tragedy of Macbeth“ (1971) - belegt die Stoßrichtung: In seinen eindrucksvollen Breitbandbildern beschwört Polanski ein altes England, das in die Barbarei versinkt.

8. „Hamlet“ mit Stummfilm-Diva

Bereits zu Stummfilmzeiten standen Shakespeare-Adaptionen hoch im Kurs. Die ungewöhnlichste ist zweifellos „Hamlet“ (1920), inszeniert vom Dänen Svend Gade und dem Deutschen Hans Schall: Die Stummfilm-Diva Asta Nielsen spielt darin einen weiblichen Hamlet, der als Mann ausgegeben wird, um die Thronfolge zu sichern, was zu bemerkenswerten Umdeutungen von Schlüsselszenen führt.

9. „The Tempest“ als Zaubershow

Der britische Filmkünstler Derek Jarman sorgte mit seiner persönlichen Interpretation von „The Tempest“ 1979 für gehöriges Aufsehen: Eine Art eigenwilliger Zaubershow, in der sich die verschiedensten historischen Epochen auf kuriose Weise vermischen - zum Schluss besticht Sängerin Elisabeth Welch mit ihrer Version des Blues-Standards „Stormy Weather“.

10. „The Tempest“ als Science-Fiction-Spektakel

Noch freier interpretiert wurde „The Tempest“ bereits im Jahr 1956 in Hollywood: Fred M. Wilcox inszenierte mit „Forbidden Planet“ („Alarm im Weltall“, 1956) ein psychedelisch-freudianisches Science-Fiction-Spektakel mit dem jungen Leslie Nielsen in einer ernsten Rolle und Robbie, dem lässigsten Roboter der Filmgeschichte. Viele Filme (etwa Helmut Käutners packende „Hamlet„-Paraphrase „Der Rest ist Schweigen„ von 1959) versuchten Shakespeare in die Gegenwart zu holen, dieser schickte ihn in eine hinreißend visualisierte Zukunft.

Bildrechte
Titelbild: Imago (3, Orson Welles als Macbeth; Shakespeare; Laurence Olivier als Hamlet), Reuters (Leonardo DiCaprio, Claire Danes in "Romeo und Julia") / 1. Kapitel: Imago; 2. Kapitel: beigestellt, APA ("Julius Caesar", Burgtheater 2007) / 3. Kapitel: Imago (4) / 4. Kapitel: Reclam (4), Oxford Press (2), dtv (2), Insel Verlag, Fischer Verlag / 5. Kapitel: Imago (Richard Burton als Heinrich V), Imago, Reuters (Ian McMcKellan als Richard), APA (Birgit Minichmayr als Lady Macbeth) / 6. Kapitel: Imago (4) / 9. Kapitel: Reuters (Martin Reinke, Nicholas Ofczarek, Christian Nickel und Dorothee Hartinger in "Viel Lärm um Nichts", Burgtheater 2006) / 10. Kapitel: Imago (4) Großbildformate: Kapitel 2: "Julius Caesar", Burgtheater 2007, APA; Kapitel 8: Martin Reinke, Nicholas Ofczarek, Christian Nickel und Dorothee Hartinger in "Viel Lärm um Nichts", Burgtheater 2006, Reuters