Sobotka: Kern ist "endlich einmal auf richtige Seite gefallen"

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Kanzler will die EU davon überzeugen, dass Österreich keine Flüchtlinge aus dem Relocationprogramm aufnehmen muss. Der Innenmister findet das begrüßenswert, ÖVP-Klubchef Lopatka nennt Kerns Brief an Brüssel indes "irrelevant".

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Mittwoch die Bemühungen von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für eine Ausnahme vom Flüchtlings-Umverteilungsprogramm "Relocation" für Österreich als "begrüßenswert" bezeichnet. Schließlich trommle dies die Volkspartei schon seit zwei Jahren, so der Innenminister bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

"Es ist ein erster Schritt", erklärte Sobotka: "Nur frage ich mich, warum er (der Kanzler, Anm.) uns dreimal im Europäischen Rat aufgefordert hat, den Umsiedlungsprozess zu beschleunigen". Er habe wenig Vertrauen, wenn man zuerst das ganz Gegenteilige sage, und sich dann das Blatt mehrmals wendet, wie sich auch "die Türkei-Position" Kerns mehrmals gewendet habe, gab es gleich mehrere Seitenhiebe auf den roten Regierungschef. Aber natürlich begrüße er es, wenn der Kanzler "endlich einmal auf die richtige Seite gefallen ist", fügte Sobotka hinzu.

"Laufe seit Monaten Fremdenrechts-Änderungsgesetz hinterher"

Eine neue innerkoalitionäre Eskalationsstufe sah der Innenminister angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen freilich nicht erreicht. Es sei keine Eskalation eines Streits, "wenn man etwas klarstellen muss", argumentierte er. Vielmehr hoffte Sobotka, dass dieser Schwenk beim Koalitionspartner nachhaltig sei: "Denn schließlich laufe ich seit sechs Monaten dem Fremdenrechts-Änderungsgesetz hinterher". Dieses sei aber notwendig, um der Ausreisepflichtigen und illegal Aufhältigen habhaft zu werden. Nun werde es "hoffentlich auch da einen Schwenk beim Koalitionspartner geben", so Sobotka: "Ich warte jetzt nur noch auf die Obergrenze. Wer weiß, jetzt gibt es endlich einmal Bewegung beim Koalitionspartner".

Angesprochen auf die Italien zugesagte Übernahme von 50 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, meinte der Innenminister, die Vorbereitungen dafür seien im Laufen. Dieser Prozess könne aber mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Lopatka hält Kerns Brief nach Brüssel für "irrelevant"

Weniger positiv nahm ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka Kerns Bemühungen, konkret jenen Brief auf, den der Kanzler an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschrieben hat. Darin bittet Kern darum, dass Österreich keinen der Flüchtlinge aufnehmen muss, die sich derzeit in Italien oder Griechenland befinden - laut dem Relocationprogramm wäre die Republik aber zur Aufnahme von knapp 2000 Menschen verpflichtet. Kerns Argumentation: Es seien in der Republik 2015 und 2016 viermal mehr Asyl-Erstanträge gestellt worden als in Italien und zweieinhalbmal so viele wie in Griechenland. Man habe das Pensum also schon jetzt mehr als erfüllt.

"Die EU ist ein Rechtskonstrukt mit rechtlichen Regeln, nach denen vorgegangen werden muss", sagte Lopatka am Mittwoch. In dem Brief finde sich aber lediglich eine politische Argumentation. Der Brief sei daher "irrelevant", meinte der schwarze Klubobmann. Es sei auch völlig offen, auf Basis welcher Bestimmungen eine Aussetzung angestrebt werde. Lopatka attestierte Kern daher "Unsicherheit" und einen "Zick-Zack-Kurs". Es wäre besser gewesen, den Brief an den Ottakringer Bezirksvorsteher zu richten, spielte Lopatka außerdem an die Aussage des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ) an. Dieser hatte zuletzt zum Streit über die Übernahme von 50 jungen Flüchtlingen aus Italien gemeint: "Die 50 nehme ich sofort in Ottakring."

Lopatka verwies auch darauf, dass sich Ungarn und die Slowakei gegen das Relocationprogramm mit einer Klage wehren: "Dieser könnten wir uns anschließen. Dann wäre allerdings der Bundeskanzler in einem Boot mit Robert Fico und Victor Orban. Ich glaube nicht, dass sich der Bundeskanzler da wohlfühlen würde."

Relocation

Das sogenannte Relocation-Programm ist auf zwei Jahre angelegt und läuft im September 2017 aus. Bei der Abstimmung im September 2015 im EU-Innenministerrat hatten vier Länder (Ungarn, Rumänien, Slowakei und Tschechien) gegen den Umverteilungsplan gestimmt, Finnland enthielt sich. Trotzdem ist von den vier Ablehner-Staaten nur Ungarn bei der Nullquote geblieben. Rumänien, die Slowakei und Tschechien nahmen doch Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf, wenn auch mit Ausnahme Rumäniens nur sehr wenige.

Insgesamt gab es bis Ende Februar nur 13.546 Flüchtlingsaufnahmen. Das sind 14 Prozent der vorgesehenen Umsiedlung von 98.255.

Österreich ist nach dem Umverteilungsraster zur Aufnahme von 1953 Flüchtlingen verpflichtet. Polen müsste 6182 aufnehmen, Ungarn 1294 - Stand bei beiden ist null. In Tschechien wurden von den vorgesehenen 2691 bisher zwölf übernommen. Spitzenreiter beim Erfüllungsanteil ist hingegen Malta mit 73 Prozent, gefolgt von Finnland und Lettland.

(APA/Red.)

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