„Den Menschen bleibt weniger Geld“

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Das Wirtschaftswissen der Österreicher hat schockierende Lücken – und in den Schulen wird so gut wie nichts dagegen unternommen. Die Folgen sind gravierend. Aber was ist jetzt zu tun?

„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.“ Die 17-jährige Kölnerin Naina K. löste mit zwei Sätzen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Anfang des Jahres in Deutschland eine Schul-Debatte aus. Bundesschulsprecher Lukas Faymann hat auch hierzulande schon von vielen Schülern ähnliche Beschwerden gehört. Der 18-jährige Burgenländer, der weder Familie noch politische Gesinnung mit Bundeskanzler Werner Faymann teilt, ist heuer der jüngste Diskutant beim Forum Alpbach und sitzt heute, Mittwoch, bei der Debatte zum Thema „Wirtschaftsbildung und Finanzbildung – was ist zu tun?“ am Podium. Dort will er den Lehrplan an den Schulen ins Visier nehmen.

„Muss ich wirklich alle Gebirgszüge Österreichs auswendig wissen?“, fragt Faymann, der der ÖVP-nahen Schülerunion angehört. Wenn es nach ihm ginge, würden in Geografie und Wirtschaftskunde zukünftig verstärkt wirtschaftliche Grundfertigkeiten vermittelt werden. Diese wären viel zu lange in Handelsschule und Handelsakademie ausgelagert worden. Das Interesse an einer verstärkten wirtschaftlichen Basisausbildung ist Faymanns Ansicht nach auch in Schulformen wie dem Gymnasium stark vorhanden. „Die Schüler wollen wissen, wie man zum Beispiel einen Erlagschein richtig ausfüllt.“

Österreicher bunkern 240 Mrd. Euro

Dass eine Überarbeitung der Lehrpläne in Sachen Wirtschaft offenbar dringend notwendig ist, hat zuletzt auch eine Studie der Nationalbank gezeigt, in der sich das wirtschaftliche Grundlagenwissen der österreichischen Bevölkerung als extrem mangelhaft erwiesen hat. So haben etwa nur 61 Prozent schon einmal etwas von „Risikostreuung“ gehört. Dabei wäre ein besseres Verständnis der Lage gerade in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen enorm wichtig, sagt Peter Bosek, der im Vorstand der Erste Group für das Privatkundengeschäft zuständig ist. Bosek wird mit Lukas Faymann am Podium sitzen. Ausgerechnet das von den Österreichern heiß geliebte Sparbuch sei heute ein Problem. Denn in einem Umfeld niedriger Zinsen könne man beim Sparbuch schon von „Enteignung“ sprechen, so Bosek.

Das Problem: Nur 71 Prozent der Österreicher wissen, dass sie Geld verlieren, wenn die Inflation höher ist als der Zins am Sparbuch. Das zweite Problem: Die Österreicher bunkern noch immer ganze 240 Mrd. Euro auf Sparbüchern. „Natürlich sollte man sich ein finanzielles Basislager aufbauen – etwa in der Höhe von drei Monatsgehältern“, so Bosek. „Aber wenn das Zinsniveau so niedrig bleibt, geht der Vorsorgecharakter des Sparbuchs verloren.“ Dann gelte es zu diversifizieren, also sein Risiko zu streuen.

„Ich bin ein großer Fan von Aktien und Anleihen. An Wertpapieren sollte eigentlich niemand vorbei kommen, aber der Aktienbesitz ist in Österreich wahnsinnig unterentwickelt“, so Bosek. Gleichzeitig sehe er aber einen sehr negativen Trend: „Die Sparguthaben werden derzeit für den Erhalt der Lebensqualität gebraucht. Den Menschen bleibt am Ende des Monats immer weniger Geld. Das findet niemand lustig.“

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