Hacker: Der Terror der Cyber-Piraten

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Online-Terroristen könnten bald mehr als nur Webseiten blockieren und Daten stehlen – auch Menschenleben sind in Gefahr.

Erst der französische Sender TV5 Monde, nun „Le Soir“: Für mehrere Stunden musste Montagabend die Internetseite der belgischen Zeitung wegen einer Hackerattacke vom Netz genommen werden. Die Gefahr war zu groß, dass mutmaßliche Cyberterroristen islamistische Hassbotschaften auf die Seite posteten. Dies war vergangene Woche bei TV5 passiert. Der Sender wurde vom ominösen „Cyber-Kalifat“ attackiert, das zuvor bereits das US-Militär und den Twitter-Account von „Newsweek“ gehackt hatte.

Das Internet wird zunehmend zur scharfen Waffe für Terroristen – und ein groß angelegter „Cyberterror-Angriff zur immer realeren Gefahr“, warnt Alexander Klimburg, Experte für Cyber-Sicherheit an der renommierten Harvard Kennedy School of Government. Die Angriffe dieser Online-Piraten könnten im Extremfall auch Menschenleben bedrohen, etwa durch Angriffe auf sensible Infrastruktur wie das Verkehrsnetz, Krankenhäuser oder Energiesysteme: Laut Klimburg wären Hacker etwa in der Lage, für längere Zeit das Stromnetz lahmzulegen und dadurch bedrohliche AKW-Störungen zu bewirken.

Expertise haben die virtuellen Terroristen jedenfalls. Seit Jahren gebe es bereits solche Attacken, auch wenn das in der Öffentlichkeit wenig bekannt sei, sagt Klimburg: Erst vor einem Jahr hätten Internet-Piraten in Deutschland einen Hochofen zerstört. In Südkorea und den USA drangen Hacker bereits in IT-Systeme von Atomkraftwerken ein.

Verwundbare Gesellschaft

„Das Problem ist, dass unsere Welt über die Vernetzung an sehr vielen Stellen verwundbar geworden ist,“ sagt Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts für Softwaresystemtechnik (HPI) an der Universität Potsdam. „Die Komplexität macht es oft schwierig, das Gesamtsystem zu durchschauen. Die Teil-Systeme werden ständig erweitert und an neue Zwecke angepasst – dort kann es zu Versäumnissen kommen, die es Hackern erlauben, sich unberechtigt Zugang zu schaffen.“ Zudem entwickeln Hacker ständig neue Programme, um modernste Schutzsysteme auszutricksen.

Die Grenze zwischen „klassischen Cyber-Kriminellen (von Kreditkarten-Code-Dieben über Drogen- und Waffenhändlern bis hin zu Pädophilen) und Terroristen sind oft dünn: Hacker-Dienstleistungen seien auch im Internet buchbar, so Meinel. „Wir sehen eine enge Verbindung zwischen organisiertem Verbrechen und Terrorismus, weil kriminelle Banden Technologie und digitale Vernetzung ausnutzen, um global tätig zu werden“, sagte Singapurs Innenminister Teo Chee Hean bei einer Konferenz zur Cyber-Sicherheit.

Dass Cyber-Attacken zu den größten Bedrohungen des 21. Jahrhunderts gehören, gibt inzwischen auch die internationale Gemeinschaft zu: In Singapur eröffnete am Dienstag Interpol ein Forschungszentrum, das Kriminelle im Netz aufspüren, digitale Sicherheitslücken aufdecken und Polizei schulen soll. „Durch Informationsaustausch, stärkere internationale Polizeikooperation und Entwicklung gemeinsamer Methoden“ sollen Hacker bekämpft werden, so der Wiener Thomas Herko, der Vizedirektor des Zentrums wird.

Kooperation – sprich: Datenaustausch – gilt als effizientestes Mittel gegen Cyberangriffe. Doch Nachrichtendienste sind oft wenig willig, ihre Informationen weiterzugeben. Auch innerhalb der Staaten ist der Wille zur Zusammenarbeit begrenzt: „Behörden stehen oft im Konkurrenzverhältnis zueinander, deshalb funktioniert die Kooperation nicht. Das ist auch in Österreich so“, sagt Klimburg.

Es führe kein Weg vorbei an stärkerer Datenkontrolle. Zentral sei „Transparenz“. Der Bürger müsse wissen, wofür die Daten verwendet werden. Als positives Beispiel nennt er Schweden, das vielleicht eine der stärksten Überwachungsstrukturen Europas hat. „Das Gesetz zur Datenkontrolle wurde öffentlich diskutiert.“ Nicht so in Deutschland, wo der BND etwa 20 Prozent des Internets überwache und das kaum jemand wisse, so Klimburg. In Österreich gebe es strenge Datenschutzgesetze, doch keiner wisse, was im NSA-Geheimvertrag mit der US-Regierung stehe.

Maulkorb für Oppositionelle

Auch vor anderen Missbrauchsgefahren warnt der Experte : „Russland und China verwenden den Begriff Cyberterror, um im Internet gegen Oppositionelle vorzugehen, um Meinungsfreiheit und Menschenrechte einzuschränken“. Deshalb müsse man die Definition klar begrenzen: etwa „auf nicht-staatliche Akteure die durch Cyber-Aktivität physischen Schaden anrichten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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