Österreichs Außenminister Kurz reist in die Ukraine und nach Russland. Kiew fürchtet, dass der neue US-Präsident die Hilfe im Konflikt einschränken könnte.
Kiew. Sonntag Paris, Montag Brüssel und Kiew, Dienstagabend weiter nach Moskau und von dort dann Mittwochnacht schließlich zum Weltwirtschaftsforum in die Schweizer Alpen nach Davos. Außenminister Sebastian Kurz wirbelt diese Woche durch Europa.
Der EU-Außenministerrat in Brüssel drehte sich am Montag noch einmal um den Nahen Osten, wie 24 Stunden zuvor die internationale Konferenz in Paris. Eine letzte Bestandsaufnahme und Gelegenheit für wohlmeinende Appelle vor der Zeitenwende, die der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, nach seiner Inauguration am Freitag einläuten könnte.
Auch Osteuropa könnte eine neue Ära bevorstehen. Sucht Trump die Annäherung an Russland? Und bleibt bei einem Deal die Ukraine auf der Strecke? Kurz werden diese Fragen heuer als Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umtreiben.
Am Montagabend stand in Kiew eine Unterredung mit dem ukrainischen Staatspräsidenten, Petro Poroschenko, auf dem Programm, der nur ein paar Stunden zuvor den scheidenden US-Vizepräsidenten, Joe Biden, empfangen hatte. Die Amerikaner hatten die Kiewer Regierung mit Milliardenkrediten über Wasser gehalten und ukrainische Soldaten für den Kampf gegen prorussische Separatisten im Donbass trainiert. Das könnte sich ändern nach Donald Trumps Amtsantritt.
Kurz hat zu Beginn des heurigen österreichischen OSZE-Vorsitzes die Entschärfung des Konflikts in der Ostukraine zu einem seiner Schwerpunkte erklärt. Diesen Anspruch unterstrich Kurz in der ersten Jännerwoche in einer schusssicheren Weste mit einem Besuch an der Frontlinie im Donbass. Nun folgt die diplomatische Sondierung.
Friedensprozess tritt auf der Stelle
Am Dienstag wird Kurz in Kiew den ukrainischen Außenminister, Pawlo Klimkin, treffen, tags darauf in Moskau dessen russischen Amtskollegen, Sergej Lawrow. Begleiten wird ihn der OSZE-Sonderbeauftragte Martin Sajdik. Der österreichische Spitzendiplomat leitet die Annäherungsversuche in der sogenannten trilateralen Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, die sich aus Vertretern der Ukraine, der prorussischen Separatisten und der OSZE zusammensetzt.
Ziel der regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden ist es, das 13 Punkte umfassende Minsk-Abkommen zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine umzusetzen. Doch dieser Prozess verläuft schleppend. Kiew wäre zu einer Verfassungsreform samt Dezentralisierung und zur Abhaltung von Lokalwahlen im Osten verpflichtet, fordert aber Sicherheitsgarantien, die strikte Einhaltung einer Waffenruhe und eine Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze, bevor es diese Schritte setzt. Die Schuldzuweisungen fliegen hin und her.
Außenminister Kurz hat sich in seiner Antrittsrede vor der OSZE vor allem auf humanitäre Aspekte konzentriert und politische Wertungen vermieden. Ihm schwebt ein Anreizsystem vor: Wenn sich die Lage vor Ort verbessert, sollen die EU-Sanktionen gegen Russland schrittweise gelockert werden. Auf ukrainischer Seite stieß dieser Ansatz auf wenig Gegenliebe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)