„Mit Clinton wären wir in einer Sackgasse, mit Trump ist Fortschritt möglich“

Alexej Puschkow
Alexej Puschkow(c) Stanislav Jenis
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Der russische Außenpolitik-Experte Puschkow hofft trotz Washingtons widersprüchlicher Signale auf eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen.

Die Presse: Was ist Ihre Zwischenbilanz nach den ersten Wochen Trump?

Alexej Puschkow: Trump agiert widersprüchlich. Washington sendet verschiedene Botschaften aus. General Mattis besteht darauf, mit Russland aus einer Position der Stärke zu sprechen. Außenminister Tillerson verfolgt einen geschmeidigen Ansatz à la John Kerry: Er macht nicht viel, verzichtet aber auf scharfe Erklärungen. Vizepräsident Pence wiederum sagte, er werde Russland für die Ukraine zur Rechenschaft ziehen. Und fügte gleichzeitig hinzu, die USA würden trotzdem ein neues Arrangement mit Russland anstreben. Das alles ist doppeldeutig.

Hat die Trump-Regierung ihren Russland-Kurs geändert?

Es gab einen Kurswechsel. Trump begann mit einer sehr positiven Botschaft gegenüber Russland. Jetzt wird diese Haltung überdacht.

Was hat den Schwenk ausgelöst?

Repräsentanten der Trump-Regierung, die einer Annäherung an Russland kritisch gegenüberstehen, haben den Schalter umgelegt. Großteils ist die Richtungsänderung auf den Druck des Kongresses, der Massenmedien und der Nachrichtendienste zurückzuführen. Die Geheimdienste stecken hinter dem Skandal um Michael Flynn, der als Sicherheitsberater zurücktreten musste.

Trump gibt nicht viel auf Medien und Geheimdienste.

Ich würde nicht sagen, dass es sich um eine Totalumkehr handelt. Mit einer Clinton-Regierung wären wir auf jeden Fall in einer Sackgasse. Mit Trump ist Fortschritt möglich.

Sie glauben also an einen Neustart?

Bei der Sicherheitskonferenz in München fiel in den ersten zwei Tagen kein einziges kritisches Wort über Russlands Engagement in Syrien. 2016 war das noch ganz anders. Ich glaube, in Syrien kann der Neuanfang in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen erfolgen. Der gemeinsame Kampf gegen IS bietet sich als Kooperationsplattform an. Vor zwei Tagen sind in Baku die Generalstabschefs von Russland und den USA zusammengetroffen. Sie redeten darüber, wie Zusammenstöße in Syrien vermieden werden könnten.

Darüber gab es schon früher Gespräche.

Aber nicht auf Ebene der Generalstabschefs. Wenn diese Treffen regelmäßig stattfinden, wäre das eine Änderung.

In München war viel die Rede davon, dass die europäischen Nato-Mitglieder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen müssen. Könnte das zu einem neuen Rüstungswettlauf mit Russland führen?

Aus russischer Sicht ist das nicht die beste Entwicklung, aber wir werden sie nicht dramatisieren. Wir haben die sowjetische Taktik aufgegeben, zahlenmäßig immer gleichzuziehen. Unser Ziel ist vernünftige Effizienz. Wir wollen Waffentypen, die ein Gegengewicht darstellen können, nicht unbedingt die gleiche Anzahl von Raketen und Panzern.

Will Russland neue Abrüstungsverträge?

Vielleicht. Die USA verfügen über eine große Überlegenheit bei konventionellen Waffen. Wir lehnen deshalb die Möglichkeit nuklearer Abrüstung nicht ab, aber das muss sehr sorgfältig kalkuliert sein, um unsere Verteidigungskapazität nicht zu untergraben.

Aus Moskauer Regierungskreisen war zuletzt zu hören, dass sich Russland gern aus der Affäre ziehen würde in der Ostukraine. Wie ernst meint man das?

Es ist definitiv in unserem Interesse, die Krise in der Ukraine hinter uns zu lassen. Denn sie blockiert viele Möglichkeiten und schafft große Spannungen mit dem Westen. Aber wir können der Ostukraine nicht einfach den Rücken kehren und sagen, es interessiert uns nicht, was morgen passiert. Wir pochen auf eine hochgradige Autonomie für die Ostukraine. Das scheint inakzeptabel für Kiew zu sein. Es will volle Kontrolle. Deshalb besteht die Kiewer Regierung darauf, zuerst volle Kontrolle über ihre Ostgrenze zu erlangen.

Verständlich. So will die Ukraine den Nachschub von Waffen und Kämpfern aus Russland unterbinden.

Sie wollen Kontrolle. Aber das ist nur Punkt zehn oder elf des Minsker Abkommens. Und Punkt zwei ist noch nicht erfüllt worden. Russland schlägt vor, sich an die offizielle Agenda zu halten: Zuerst die Waffenruhe, dann Abzug der schweren Waffen und so weiter. Außerdem hält Russland im März 2018 Präsidentenwahlen ab. Ich sehe nicht, dass der russische Präsident seine Position bezüglich des Minsk-Abkommens davor dramatisch ändert.

Wird es unter Trump eine Entfremdung zwischen Europa und den USA geben?

Die USA kehrten in München zu ihrer traditionellen Politik gegenüber Europa und der Nato zurück: unbedingte Bündnistreue, Beistand für Europa. Das bedeutet nicht, dass es keine Meinungsunterschiede geben könnte.

Wird Trump seinen Stil ändern?

Er wahrscheinlich nicht, aber er hat Leute um sich, die Europa als weitaus verlässlicher und vorhersehbarer bewertet: Pence, Mattis, Tillerson etwa. Natürlich ist der Präsident wichtig, aber er ist nicht allein. Trump wird vermutlich der Keim der Unordnung sein.

Der Unruheherd an der Spitze, eine ungewöhnliche Konstruktion.

Aber rund um Trump wird es ein System geben. Die Frage ist, ob die Unordnung das System durcheinanderbringt oder das System den Unruheherd auf Linie bringt.

Für wann erwarten Sie das erste Treffen zwischen Trump und Putin?

Spätestens im Juli beim G20-Gipfel. Es werden derzeit Gespräche geführt über ein früheres Treffen, bisher noch ohne konkretes Resultat. Es gäbe viel zu besprechen: vom IS und Syrien über Nordkorea bis hin zur Ukraine und europäischer Sicherheit. Auch der Iran könnte bald ein großes Thema werden. Die Frage ist, wann Trump bereit für einen Gipfel ist. Anders als Putin steht er unter gewaltigem Druck, in den russisch-amerikanische Beziehungen nicht zu weit zu gehen.

ZUR PERSON

Alexej Puschkow (62) ist seit Herbst 2016 Abgeordneter im russischen Föderationsrat (dem Oberhaus des Parlaments) und Mitglied des Komitees für Verteidigung und Sicherheit. Davor war er Vorsitzender des Duma-Komitees für Außenpolitik. Er ist Mitglied in der Putin-Partei Einiges Russland und nahm am Wochenende an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. [ Stanislav Jenis ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2017)

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