Historische Niederlage für Labour in Nordengland

February 24 2017 London London UK London UK Labour leader JEREMY CORBYN gives a speech on B
February 24 2017 London London UK London UK Labour leader JEREMY CORBYN gives a speech on B(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Die britische Oppositionspartei verliert ihre Hochburg in Copeland, kann aber Stoke halten. Nur die Konservativen haben Grund zur Freude. Ihr Vorsprung in den Umfragen ist so groß wie seit zehn Jahren nicht mehr.

London. Bei der Nachwahl zum britischen Unterhaus im nordenglischen Copeland hat die Labour Party eine ihrer historischen Hochburgen verloren. Erstmals in mehr als 80 Jahren ging die Mehrheit in dem Wahlkreis am Donnerstag an die Kandidatin der Konservativen, Trudy Harrison, die in ihrer Dankesrede Worte verwendete, die normalerweise der Opposition vorbehalten sind: „Es ist Zeit für einen Wechsel“, erklärte die Neueinsteigerin.

Die Schmach für Labour war umso größer, als das Ergebnis in Copeland das erste Mal seit 1982 darstellte, dass eine Londoner Regierungspartei sich in einer Nachwahl gegen die Opposition durchsetzen konnte. Nachwahlen sind traditionell Denkzettelwahlen. Wichtigster Arbeitgeber in dem Wahlkreis ist die Atomindustrie, die Labour Party konnte Zweifel an ihrer Haltung zu dem geplanten Neubau eines Atomkraftwerks in Moorfield als Ersatz für die Anlage in Sellafield nicht ausräumen. Während lokale Aktivisten in der Kampagne scherzhaft von sich behaupteten, „Wir sind so pronuklear, dass wir in der Dunkelheit strahlen“, konnte sich Parteichef Jeremy Corbyn nie zu einem klaren Ja für den neuen Reaktor durchringen.

Eine neuerliche offene Führungsdiskussion dürfte dem umstrittenen Oppositionsführer allerdings das Ergebnis der Nachwahl in Stoke-on-Trent ersparen. In dem nahe Manchester gelegenen Wahlkreis konnte Labour ebenfalls am Donnerstag einen Angriff der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (Ukip) abwehren und zumindest diese Hochburg verteidigen. Labour-Kandidat Garreth Snell setzte sich hier gegen den neuen Ukip-Chef Paul Nuttall klar durch.

Die Partei rechnete sich in Stoke gute Chancen aus, nachdem die traditionelle englische Industriestadt, die einst weltweit für ihre Töpferei bekannt war, im EU-Referendum im Juni mit 69 Prozent für den Brexit gestimmt hatte. Dennoch gelang es ihr in einer von Peinlichkeiten und Fehlern geprägten Kampagne nicht, die Wähler für sich zu überzeugen. Begeisterung konnten freilich auch die anderen Parteien nicht wecken: Die Wahlbeteiligung in Stoke lag bei nur 38 Prozent.

In einer ersten Reaktion sprach Labour-Chef Corbyn gestern davon, dass der Sieg seiner Partei eine „klare Zurückweisung von Ukips Politik der Spaltung“ gewesen sei, während es seiner Partei in Copeland nicht gelungen sei, „unsere Botschaft zu vermitteln“. Ukip-Chef Paul Nuttall, der erst im November Nigel Farage an der Spitze der Partei abgelöst hatte, erklärte: „Wir werden weiterkämpfen.“ Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Tim Farron, dessen Partei in beiden Wahlkreisen chancenlos blieb, meinte hingegen: „Das ist der Anfang vom Ende von Ukip.“

Auch wenn sich die Partei tatsächlich fragen muss, wo sie gewinnen will, wenn sie einen Wahlkreis wie Stoke nicht erobern kann, scheint dieses Urteil voreilig. Ukip ist berüchtigt für ihr organisatorisches Chaos, und für Jahre hat ihr charismatischer Anführer Farage die Rolle eines Wählermagneten übernommen. Die von der Partei ausgenützten und geschürten Ängste bleiben aber nach wie vor in der britischen Gesellschaft virulent.

Während die rechte und linke Konkurrenz nach den Nachwahlen zur Ursachenforschung gezwungen sind, durfte die konservative Partei gestern uneingeschränkt zufrieden sein. Die Schwäche der Opposition belegen auch landesweite Umfragen: Mit aktuell 44 Prozent für die Konservativen und 26 Prozent für Labour genießt die Partei von Premierministerin Theresa May derzeit den größten Vorsprung seit beinahe zehn Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)

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