Brexit: „Ihr wart so schlau, dass ihr ausgetreten seid“

(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Der neue US-Präsident verspricht London den raschen Abschluss eines Handelsabkommens, aber die EU-Kommission will das nicht zulassen. Erst nach dem Austritt seien solche Verhandlungen mit Drittstaaten möglich.

London. Das Beschwören der „special relationship“ zwischen den USA und Großbritannien gehört zum festen Ritual der britischen EU-Gegner. Hatte diese alte Partnerschaft in den vergangenen Jahren deutliche Abnützungserscheinungen gezeigt, hat der kommende US-Präsident Donald Trump den Briten nun wieder Hoffnung gemacht. In einem Interview mit der „Times“ versprach er London gestern, Montag, ein rasches Handelsabkommen: „Wir werden sehr hart daran arbeiten, es schnell und ordentlich zu machen. Gut für beide Seiten.“

Während die Aussicht auf ein solches Wirtschaftsabkommen mit den USA das Brexit-Lager jubeln ließ, erteilte die EU-Kommission dem Vorstoß umgehend eine Absage. Solange Großbritannien noch Mitglied in der Europäischen Union ist, sei der Abschluss bilateraler Handelsverträge „kategorisch ausgeschlossen“, erklärte ein Sprecher in Brüssel. London will bis Ende März die Austrittsverhandlungen aufnehmen, die für zwei Jahre anberaumt sind. Erst danach können nach EU-Ansicht die Gespräche über Großbritanniens künftige Wirtschaftsbeziehungen mit der Welt beginnen. 45 Prozent der britischen Exporte gehen in die EU, 17 Prozent in die USA.

May-Rede mit Vorzeichen

Die britische Position in den Brexit-Verhandlungen wird heute, Dienstag, Premierministerin Theresa May in einer Grundsatzrede darlegen. In Erwartung einer harten Haltung, die eine weitere Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt oder die Teilnahme an der Zollunion hinter die Kontrolle der Zuwanderung reiht, befand sich das Pfund gestern erneut in freiem Fall. Sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Euro fiel die britische Währung auf den tiefsten Stand seit Oktober.

Die Märkte haben sich jedenfalls bereits eine Meinung gebildet: „Wenn May nicht eine völlige Kehrtwende vornimmt, ist jede Hoffnung auf vollen Binnenmarktzugang für Großbritannien nach dem Austritt aus der EU mehr oder weniger ausgeschlossen. Auch ein Austritt aus der Zollunion ist wahrscheinlich“, sagte der Analyst Kallum Pickering von der Investmentbank Berenberg.

Anders als die Mehrheit der Wirtschaftsforscher- und beobachter beurteilt der kommende US-Präsident Trump den Brexit uneingeschränkt positiv. „Ihr wart so schlau, dass ihr ausgetreten seid“, sagte er den Briten im „Times“-Interview und befand: „Großbritannien geht es einfach prächtig.“ Bei so vielen netten Worten vergaß man gestern in London auch gern, dass May nach der Wahl Trumps im November nur Nummer elf auf seiner Anrufliste war.

Stattdessen erklärte ein Sprecher der Premierministerin, „wir begrüßen die Leidenschaft und die Energie, die der gewählte Präsident zeigt“. Einer der Führer des Brexit-Lagers, der Rechtspopulist Nigel Farage, erklärte, ein bilaterales Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten könne „innerhalb von drei Monaten“ ausverhandelt werden.

Der langjährige britische EU-Botschafter, Ivan Rogers, hatte gewarnt, das Schließen neuer Wirtschaftsverträge nach dem Brexit würde „bis zu zehn Jahre“ in Anspruch nehmen. Seine Warnungen stießen auf wenig Gegenliebe. Zu Jahresbeginn trat er aus Protest gegen das „verwirrte Denken“ seiner Regierung zurück. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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