Emilia sieht ihrem Vater aufmerksam zu. Wie seine Finger über die Tasten des Pianos gleiten. Wie daraus Töne werden. Leise summt sie die Melodie mit. Endlich steht der Vater auf. Die Vierjährige huscht an ihm vorbei, setzt sich und spielt – dasselbe Stück, ohne es je geübt zu haben. Ohne die Noten zu kennen. „Im musikalischen Bereich zeigen sich besondere Fähigkeiten oft sehr früh“, sagt Andreas Weber, Beauftragter für Hochbegabungsförderung am Mozarteum. Die Kinder ziehe es regelrecht zu Tönen und den Instrumenten, die sie erzeugen. Andere Begabungen sind hingegen weitaus schwieriger zu entdecken: „Räumliche, mathematisch-logische, sprachliche, emotionale oder motorische Fähigkeiten präsentieren sich nicht immer auf dem Silbertablett“, betont Begabungsexpertin Katja Higatzberger.
Dabei wären sie nicht allzu selten: Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen das „Versprechen in die Zukunft“, wie Weber Begabungen in einem oder mehreren Gebieten nennt, in sich tragen, zwei bis drei Prozent gelten als hochbegabt. Ob sie diese Versprechen einlösen hängt aber nicht von ihnen alleine ab. „Oft kommen Eltern, um ihre Kinder testen zu lassen. Ihr Argument: 'Wir wollen wissen, ob es dann eine spezielle Förderung braucht.' Das ist der falscheste Ansatz“, sagt Higatzberger. Denn: „Jedes Kind braucht Förderung – vor allem aber eine ganzheitliche Entwicklung.“ In anderen Worten: Sport, Spiele, Ausflüge in die Natur, Besuche in Museen oder Konzerten, Zuneigung – und Pausen. Immerhin sei „ein Kind nicht nur Kopf, sondern auch Körper“.