"Papa macht blöde Sachen": Gewaltprävention in Schulen

Pilotprojekt. Der Verein „Samara“ hält Workshops in Volksschulen ab. Kinder sprechen über Gewalterfahrung.

Wien/Duö. Wenn Raina Ruschmann und ihr Team vor der Volksschulklasse stehen und Fragen stellen, dann fallen die Antworten bisweilen erschreckend aus. „Kennt ihr das“, wird gefragt, „wenn der Papa oder die Mama euch einen Klaps gibt?“ Wenn dann manche aufzeigen und weitererzählen, dass der „Papa blöde Sachen macht“, dann versucht Ruschmann spielerisch herauszufinden, was zu Hause passiert.

Die Psychologin und Sozialarbeiterin veranstaltet mit den Mitarbeitern ihres Vereins „Samara“ Workshops an sechs Wiener Volksschulen zum Thema Kinderschutz und transkulturelle Gewaltprävention. Das Pilotprojekt hat vor rund acht Monaten begonnen: drei Jahre lang werden in den Schulen (1. bis 4. Volksschulklassen) insgesamt zwölf Workshops pro Jahr abgehalten. Gleichzeitig werden auch Eltern und Lehrer in regelmäßigen Abständen kontaktiert.

Ihre bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass Kinder über Gewalt – ob nun über sexuelle oder die gelegentliche Ohrfeige – sehr wohl reden würden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben werde. „Meine Eltern sperren mich ins Zimmer ein“, erzählt dann ein Mädchen, ein anderes sagt: „Meine Brüder schlagen mich.“ Wiederum eine andere schildert, dass sie beim Spielen ausgegrenzt werde, weil sie ein Kopftuch trägt („seelische Gewalt“ sagt Ruschmann dazu).

„Du Christ“ als Schimpfwort

Die transkulturelle Komponente von Gewalt wird in den Workshops besonders berücksichtigt, da kulturelle und religiöse Faktoren immer öfter in Streit- und Gewaltsituationen auftauchen würden, sagt Ruschmann.

Zum einen werde eben das Mädchen mit Kopftuch ausgegrenzt, zum anderen habe sie beobachtet, dass „du Christ“ oft als Schimpfwort benutzt werde. Ein islamischer Bub etwa hätte zu seinen Eltern gesagt: „Ich will nicht mehr in diese Schule, da sind zu viele Katholiken.“

Daher benutzen Ruschmann und ihr Team Kinderbücher und andere Materialien, in denen möglichst viele Protagonisten aller Hautfarben vorkommen. „Großbritannien ist uns da Jahre voraus“, sagt Ruschmann, „die haben Puppen aus allen Kulturkreisen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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