Lokalaugenschein: Unterricht in Uniform

 Militärrealgymnasium in Wiener Neustadt
Militärrealgymnasium in Wiener Neustadt(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Militärrealgymnasium in Wiener Neustadt steht auf der Streichliste des Verteidigungsressorts. Nur zwei Jahrgänge sollen dort noch die Matura machen können.

Wiener Neustadt. Mit einem lockeren Gruß ist es in dieser Schule nicht getan – zumindest meistens nicht. Auch nicht mit einem Händeschütteln. Und so hebt der Schüler die Hand zum Salut, als er über die Treppe an Oberst Wilhelm Mainhart vorbeiläuft. Dieser ist militärischer Leiter der Schule und trägt Uniform. Wie der Schüler auch. Im Militärrealgymnasium wird Oliv getragen. Meistens zumindest. Und in Uniform gilt es zu salutieren, jedenfalls bei der ersten Begegnung des Tages. Auch, wenn das nicht immer ganz so streng eingehalten wird. Sonst käme man ja aus dem Salutieren nicht mehr heraus, sagt Internatsleiter Stefan Haas. Hauptmann, in Uniform natürlich.

Militärgymnasium, das klingt nach Kaiser, nach Habsburger. Tatsächlich setzt die Schule die Tradition der Militärschulen fort, feiert selbst aber erst kommendes Jahr ihr 50.Jubiläum. Dass den rund 180 Schülern – alle zwischen 14 und 18, an die 30 davon Mädchen – zum Feiern zumute sein wird, darf man bezweifeln. Die Schule steht auf der Streichliste des Verteidigungsressorts. Geht es nach Minister Gerald Klug (SPÖ), sollen nur noch zwei Jahrgänge in Wiener Neustadt maturieren können. Dann soll die Schule aufgelöst werden, das Gebäude auf dem Gelände der Militärakademie könnte für die Weiterbildung von Offizieren genutzt werden.

Vor allem die kurze Frist bis zur Schließung ist für Schuldirektor Werner Sulzgruber inakzeptabel. „Man kann eine Schule, sofern man das für sinnvoll hält, auslaufen lassen“, sagt er. „Aber eine höhere Schule innerhalb von zwei Jahren aufzulösen, ist eine pädagogisch unverantwortliche Maßnahme.“ Etwa hundert Schüler müssten ein bzw. zwei Jahre vor der Matura an eine andere Schule wechseln. Und nicht überall gibt es Schulen, die Russisch als zweite Fremdsprache anbieten, wie das Militärgymnasium. „Man darf den Jugendlichen die Zukunft nicht so erschweren.“

Zweierreihe frühmorgens

Doch was ist das eigentlich für eine Schule, die da vor dem Aus steht? Wäre nicht das omnipräsente Olivgrün, hinge in den etwas abgenutzten gelb gestrichenen Gängen nicht hier und da die Skizze einer Waffe an der Wand und ein Namensschild inklusive militärischen Titels an der Tür, man könnte glauben, man befände sich in einem ganz normalen Internat. Einem, in dem wie überall Schüler gescholten werden, wenn sie in ihren Zimmern zu laut Musik hören. Und eines, in dem fleißig gegrüßt wird – worauf man vom Kommandanten abwärts auch stolz ist.

Doch es ist auch eine Schule, in der die Schüler nach der Tagwache um sechs Uhr früh in Uniform und Habt-Acht-Stellung in den Gängen vor dem Zimmer stehen und in der kontrolliert wird, ob Kleidung, Bart, Frisur auch heereskonform sind. In der anstatt eines laschen „Morgen, Herr Fesser“ der Taghabende einer Klasse seine Gruppe in der Stärke von so und so vielen Schülern zum Unterricht meldet.

Zu einem Stundenplan, der dem eines Oberstufenrealgymnasiums mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt entspricht, kommt ein Nachmittag Sport – etwa Reiten, Klettern, Leichtathletik, Kraft. Und einer für die vormilitärische Ausbildung: von Erster Hilfe über Überleben in der Natur und Geländekunde bis hin zum Exerzieren und zum Kennenlernen der verschiedenen Waffen. Ohne sie in Händen zu halten, wohlgemerkt. War bis vor einigen Jahren Schießausbildung inklusive, ist das inzwischen gestrichen. Aber kennen sollte man die Waffen. Immerhin wurde die Schule in erster Linie zur Qualifikation zukünftiger Offiziere gegründet.

Das ist auch bis heute eines der Hauptargumente: Ein Großteil der Absolventen würde eine Miliz- oder Berufskarriere im Heer einschlagen, sagt Militärakademiekommandant Gerhard Herke. Die Schule habe sich bewährt, um Führungsnachwuchs heranzuziehen – etwas, was man im Ministerium anders sieht. Kaum jemand würde nach dem Abschluss etwa die Militärakademie besuchen. Tatsächlich ist auch der Andrang an die Schule überschaubar – aber konstant, wie es dort heißt: Stets würden sich etwas mehr Schüler bewerben, als es Plätze gibt. Heuer waren es weniger. Gestartet wurde mit 57 Schülern. Die Schüler kommen aus ganz Österreich, an die zehn Prozent von ihnen haben einen familiären Bezug zum Heer.

Eine Schullaufbahn in Uniform, mit Tagwache und vormilitärischer Ausbildung: Das scheint doch etwas antiquiert. Oder? „Nicht doch“, meint Direktor Sulzgruber, „das ist nicht so verkrustet, wie es manchen vielleicht scheint. Hinter der vormilitärischen Ausbildung steckt eine Menge an sozialen Kompetenzen: Teambuilding, Kommunikation.“

Schüler ergreifen Initiative

Die Schüler haben in der 6b inzwischen selbst die Initiative ergriffen. Der geplante Wandertag wurde auf Wunsch der Schüler abgeblasen – zugunsten einer Art politischer Bildung mit Klassenvorstand Othmar Holzer. „Ziel: Erhalt des MilRg“, steht da an der Tafel. „Teilziel: Vier Jahre.“ Daneben eine Reihe von Maßnahmen: Flyer, ein Aktionstag, ein Brief an den Bundespräsidenten. Und: „We won't give up yet.“

„Wir lassen das nicht einfach auf uns zukommen“, sagt Christian Vesligay (15). Er ist seit zwei Wochen Schulsprecher und marschierte schon mit einem Protestbrief ins Ministerium; gestern übergaben die Schüler beim Ministerrat eine Petition. Die kommenden Tage will man nutzen, um den Menschen auf der Straße zu zeigen, warum es die Schule gibt. Und vor allem: dass es sie gibt. Denn das größte Problem sei, dass viele nicht einmal wüssten, dass das Militärgymnasium überhaupt existiere.

AUF EINEN BLICK

Das Militärrealgymnasium an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt besteht seit 1965. Es ist ein öffentliches Oberstufenrealgymnasium mit Schwerpunkt Naturwissenschaften. Daran angeschlossen ist ein militärisch geführtes Internat. Die 24Lehrer werden vom Unterrichtsressort gestellt, dazu kommen 13Bundesheerangestellte: u.a. acht Erzieher, der militärische Leiter und der Internatsleiter. Auch Kosten für Gebäude und Infrastruktur zahlt das Verteidigungsressort. Eltern zahlen zehnmal jährlich 340 Euro für das Internat.

Mit der Schließung will das Ministerium jährlich 200.000 Euro laufende Kosten einsparen, zudem 1,5 Millionen Euro an Baubedarf. Nutze man das Gebäude für die Offiziersweiterbildung, könne man außerdem ein anderes verkaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2014)

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