IV-Konzept: Schon Fünfjährige in die Schule?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Das geforderte Schulstartjahr für Kinder ab fünf Jahren sorgt für Debatten. Als eine flexible Schuleingangsphase könnte das aber sogar sinnvoll sein, meinen Experten.

Wien. Sollen Kinder bereits mit fünf Jahren in die Schule – anstatt wie bisher mit sechs? Das sogenannte Schulstartjahr, das die Industrie in ihrem Bildungskonzept fordert, sorgt für Debatten. Dass Fünfjährige nach einem früheren verpflichtenden Kindergartenjahr in die Schule sollen, halten Elementarpädagogen für problematisch – und sprechen vom Griff in die „bildungspolitische Mottenkiste“.

Würden Kinder in einem solchen Schulstartjahr in der Schule sitzen und jene Art von Lernen praktizieren, die von der IV zu Recht als reformbedürftig angesehen wird, sei das falsch. „Man darf nicht die Schule vorziehen, sondern sollte ein Konzept des kindzentrierten Lernens anhalten lassen – und das in Teams mit Lehrern und Kindergartenpädagogen“, sagt Raphaela Keller von der Plattform Educare zur „Presse“.

Tatsächlich ist es in den meisten europäischen Ländern so, dass die Schulpflicht erst mit sechs Jahren beginnt – in manchen, wie den baltischen Staaten, aber auch in Finnland und Schweden, erst mit sieben. In etwa einem Dutzend Länder startet die Schulpflicht mit fünf Jahren, z.B. in Griechenland oder England. Nur in Luxemburg und Nordirland startet sie mit vier.

Konsens ist inzwischen in Österreich aber, dass an der Schnittstelle zur Schule etwas getan werden muss. Geht es nach Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), sollen Kindergarten und Schule enger zusammenwachsen – etwa, indem Kindergartenkinder in die Volksschule hineinschnuppern und Lehrer sich schon vor Schulstart ein Bild von den Stärken und Schwächen Kindern machen.

Flexiblerer Schuleingang?

In die Reformüberlegungen für den Übergang könnte auch der Vorschlag eines Schulstartjahres passen – nämlich in Form einer flexibleren Schuleingangsphase. „In der Schweiz hat sich ein fließender Übergang vom Kindergarten in die Schule, der über mehrere Jahre geht, sehr bewährt“, sagt die Bildungspsychologin Christiane Spiel.

Konkret ist es in drei Kantonen möglich, dass Kinder etwa die letzten zwei Kindergartenjahre (ab vier Jahren) und die erste Volksschulklasse in einer altersgemischten Gruppe an der Schule verbringen. Je nach Entwicklung können die Kinder diese Grundstufe statt in drei auch in zwei oder vier Jahren durchlaufen. „Fließende Übergänge sind gerade in dieser ersten Phase sehr sinnvoll“, sagt Spiel. „Es gibt Kinder, die sind schon weiter entwickelt, andere sind im gleichen Alter noch nicht so weit.“ Wie eine solche Phase in Österreich konkret gestaltet sein könnte, müsste man natürlich erst ausarbeiten.

Die Grünen promoten übrigens seit Längerem ein nicht unähnliches Konzept: Sie wollen die Vorschule und die ersten beiden Volksschulklassen neu organisieren. Die Schüler sollen dabei gemeinsam unterrichtet werden und diese Grundstufe in ein bis drei Jahren durchlaufen.

Kaum echte Ganztagsschulen

Eine verpflichtende verschränkte Ganztagsschule, wie sie die Industrie ebenfalls fordert, würde übrigens eine große Veränderung bedeuten: Derzeit besuchen nur 2,4 Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen eine Schule, in der zwischen Unterricht, Lern- und Freizeit hin- und hergewechselt wird. (beba/rovi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Schulbeginn mit fünf: Industrie schwächt ab

Das "Startschuljahr" soll zwar von Schule verantwortet werden, aber wo genau es stattfindet, sei noch offen, sagt die Industriellenvereinigung.
Schule

Gesamtschuldebatte: "Die Schulform verändert wenig"

Bildungsforscher Stefan Hopmann über die "windschiefe" Gesamtschuldiskussion und darüber, dass manche Eltern ihre Kinder notfalls auch ins Ballettgymnasium schicken würden.
Schule

AHS: Aus- und Umbauten auf langer Bank

In Wien drängen immer mehr Schüler in die AHS. Baulich hinkt man hinterher.
Schule

Industrie fordert ganztägige Gesamtschule

Die IV pocht auf eine "Bildungsrevolution": Der Kindergarten soll schon für Vierjährige verpflichtend sein, Fünfjährige sollen ein Schulstartjahr absolvieren. Alle Schüler sollen die Schule von 8.30 bis 15.30 Uhr besuchen.
Schule

Industriellenvereinigung will Gesamt- und Ganztagsschule

Die Industriellenvereinigung spricht sich für eine "Bildungsrevolution" aus. Für Reförmchen sei es zu spät.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.