Bildungspflicht bis 18: „Was die Hanni nicht lernt ...“

Regierung will reinen Pflichtschulabschluss zum Auslaufmodell machen
Regierung will reinen Pflichtschulabschluss zum Auslaufmodell machenDie Presse
  • Drucken

Die Regierung arbeitet an Aktivitäten, damit Jugendliche nicht auf der Straße stehen. Familienministerin Karmasin überlegt ein „Übergangsjahr“.

Gut Ding braucht ziemlich viel Weile. Im November 2010 hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erstmals den Vorschlag für eine gesetzliche Ausbildungspflicht für Jugendliche über 15 Jahren, die weder in der Schule noch in Ausbildung sind, geäußert. Gut drei Jahre später handelte es sich nach wie vor um einen Plan, immerhin der gesamten Koalition. Denn bei der SPÖ-ÖVP-Regierungsklausur im Jänner des Vorjahres wurde die Ausbildungspflicht bis 18 für 2016 angekündigt. An diesem Freitag folgte nun die „Auftaktveranstaltung“ unter dem Motto „AusBildung bis 18“. Allerdings, es ist noch nicht sicher, ob es im Laufe des kommenden Jahres zur Initiative kommt, damit Jugendliche nicht im Nirgendwo zwischen Schule und Beruf auf der Straße stehen. Regierungs- und Ländervertreter garantierten zwar „Verbesserungen“. Einzig Hundstorfer ist nach wie vor frohgemut und versicherte: „Wir schaffen das.“

Ein Gesetzesentwurf steht aus. Wann dieser als nächster Schritt nach der 2008 von der rot-schwarzen Regierung eingeführten „Ausbildungsgarantie“ für Jugendliche vorgelegt wird, ist offen. Bis dahin behelfen sich Regierung und Sozialminister mit Aktionen, die bereits im Laufen sind: Rund 30.000 Jugendlichen, die „null Bock“ auf Schule und Bildung haben, werden von Unterrichts- und Sozialressort mittels Jugendcoaching betreut. In eigenen Produktionsschulen werden weiters einige Tausend Junge unterstützt, damit sie den Weg zurück in die Lehre schaffen.

Mehr als Pflichtschulabschluss

Erklärtes Ziel der „Bildungspflicht bis 18“ ist es nunmehr, dass jeder Jugendliche künftig mehr als einen Pflichtschulabschluss, wie das derzeit bei rund 5300 Betroffenen der Fall ist, aufweist. „Der Pflichtschulabschluss allein ist zu wenig“, warnte Sozialminister Hundstorfer, weil diese Gruppe am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen sei. Schauplatz war die Auftaktveranstaltung mit Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), SPÖ-Parteikollegin Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek sowie Familienministerin Sophie Karmasin, die für die ÖVP in der Regierung ist.

Karmasin ließ dort mit einem Vorhaben aufhorchen, auf das sie bei einem Besuch in Irland aufmerksam geworden ist. Dort gebe es ein „transition year“ für 14-Jährige. Diese erhalten die Möglichkeit stärker als derzeit in Österreich gleich in Firmen hineinzuschnuppern. Der Vorteil, den die Familienministerin dabei  sieht: 14jährigen würden so leichter eine Orientierungshilfe erhalten, welche berufliche Laufbahn sie interessiert.

Schulen ganzjährig öffnen

Bildungsministerin Heinisch-Hosek rannte mit ihrem Plädoyer für Ganztagsschulen vor allem bei dem anwesenden Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, offene Türen, ein. Die SPÖ-Ministerin ging allerdings darüber hinaus. Ihr Wunsch sei es, Schulen künftig ganzjährig – also auch in den Ferien – zur Verfügung zu stellen. Nähere Details nannte sie jedoch nicht. Etwa, ob dies bedeutet, dass Lehrer künftig in den Ferien in Schulen anwesend sein müssen.

Heinisch-Hosek wandelte zudem den Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ auf die Bildungspflicht bis 18 ab. „Ich muss das jetzt gendern“, sagte die Frauenministerin und SPÖ-Frauenchefin: „Was Hanni nicht lernt, lernt Johanna nicht mehr.“ In der Regierung ist auf ÖVP-Seite ausgerechnet Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die von Vertrauten liebevoll Hanni gerufen wird, ihre Verhandlungsgegenüber in Bildungsfragen.

Länder fordern Sozialarbeiter

Ein dramatischer Appell von Länderseite verpuffte hingegen bei der Veranstaltung praktisch ungehört. Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP), die wie Heinisch-Hosek und Mikl-Leitner aus Niederösterreich kommt, wies eindringlich auf eines der Hauptprobleme im Umgang mit Jugendlichen hin: „Wir brauchen sehr viel mehr Sozialarbeiter an den Schulen.“ Dabei fehlen  allerdings schon jetzt im Unterrichtsbudget des Bundes rund 100 Millionen Euro, um die laufenden Kosten zu decken.

„Strafen letztes Mittel“

Mitterlehner und Hundstorfer waren sich einig, dass Strafen für Jugendliche, egal ob aus Österreich oder Zuwandererkinder aus dem Ausland, nur „das letzte Mittel“ sein könnten, die Bildungspflicht bis 18 durchzusetzen. Es müssten vor allem die Angebote verbessert werden.

Der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, der Präsident Erich Foglar vertrat, knüpfte hingegen halb scherzend bei den ständigen Absagen von Mitterlehner und der ÖVP zu neuen Steuern zur Gegenfinanzierung der Steuerreform an: „Ich habe gehört, die Steuerreform geht sich ohne Vermögenssteuern aus“, spielte Achitz auf das ÖVP-Nein an. Seine Alternative: „Vielleicht können wir die Vermögenssteuer für die beste Ausbildung der Kinder verwenden.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.