Jeder siebente Erstklassler versteht kein Deutsch

(c) Clemens Fabry
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SPÖ und ÖVP debattieren darüber, wie man mit Schülern umgehen soll, die nicht gut genug Deutsch sprechen, um dem Unterricht zu folgen. Allein in der ersten Klasse Volksschule betrifft das 11.000 Kinder.

Wien. Schüler, die nicht gut genug Deutsch sprechen, um dem Unterricht zu folgen, sorgten in der vergangenen Woche erneut für politische Diskussionen. SPÖ und ÖVP debattieren darüber, ob man diese Kinder als außerordentliche Schüler in den Klassenverband aufnehmen oder sie in eigenen Vorbereitungsklassen unterrichten soll. Bleibt die Frage, wie viele Kinder, die der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig sind, derzeit in Österreichs Schulen sitzen.

In der ersten Klasse Volksschule sind es laut Bildungsministerium 11.000 außerordentliche Schüler – für sie gilt ein eigener Lehrplanzusatz, benotet werden sie nicht. In Österreich spricht also jeder siebte Erstklassler nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht zu folgen. In der zweiten Schulstufe sind es rund 5800 Schüler. Noch immer hat dann also jeder Dreizehnte Verständnisprobleme. Weitere 3200außerordentliche Schüler besuchen die Vorschule.

Schonfrist von einem Jahr

Welchen Weg die Kinder einschlagen, entscheidet sich meist bei der im Winter vor Schuleintritt stattfindenden Schuleinschreibung. All jene, die nicht gut genug Deutsch sprechen, erhalten laut Schulunterrichtsgesetz den Status der Außerordentlichkeit: Die Schüler werden entweder in eine Vorschulklasse geschickt (das dürfte aus rechtlicher Sicht nur dann passieren, wenn Kinder generell in ihrer Entwicklung hinterherhinken) oder in „normalen“ ersten Volksschulklassen aufgenommen.

Den Status der Außerordentlichkeit können Schüler maximal für die Dauer von zwölf Monaten haben. Er kann für ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Sprache „ohne eigenes Verschulden“ nicht ausreichend erlernt werden konnte. Ist ein Schüler allerdings erst einmal ordentlicher Schüler, kann er nicht mehr in die Außerordentlichkeit zurückversetzt werden.

Zu den Schülern, die bei Schuleintritt über mangelnde Deutschkenntnisse verfügen, kommen noch die sogenannten Quereinsteiger: jene ausländischen Schüler, die während der Schullaufbahn in das österreichische System wechselnund kein bzw. kaum Deutsch sprechen. Derer gibt es derzeit 7000. Darunter sind sowohl Flüchtlinge als auch andere Zuwanderer sowie Austauschschüler.

Besonders hoch ist die Zahl der außerordentlichen Schüler in der Bundeshauptstadt. 10.245 von rund 65.700 Wiener Volksschülern sind als außerordentliche Schüler eingestuft. Das sind 15,6 Prozent. In den Haupt- und Neuen Mittelschulen sind es immerhin noch 1683 von 28.663 Schülern (5,9 Prozent).

Bis spätestens 17.November wollen SPÖ und ÖVP entscheiden, wie künftig mit diesen Schülern umgegangen werden soll.

AUF EINEN BLICK

Außerordentliche Schüler. Kinder, die bei der Schuleinschreibung nicht gut genug Deutsch sprechen, erhalten den Status eines außerordentlichen Schülers. Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache gilt generell ein eigener Lehrplanzusatz. Wenn außerordentliche Schüler am Klassenunterricht teilnehmen, bedeutet das in der Praxis, dass der Unterricht für die Schüler je nach Kenntnisstand differenziert aufzubereiten ist. Darüber hinaus gibt es für außerordentliche Schüler noch Sprachförderkurse im Ausmaß von bis zu elf Wochenstunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2015)

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