Vorarlberg will die Gesamtschule – in zehn Jahren

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Das Land konkretisiert seine Pläne für die Zehn- bis 14-Jährigen. Eine landesweite Einführung der Gesamtschule wird vorbereitet. Auch der Bund soll seinen Beitrag zur „besseren Schule“ leisten.

Bregenz. Für die Grünen ist es ein Meilenstein, ja eine Bildungsrevolution – für Verfechter des Gymnasiums eine Bankrotterklärung. Dass Vorarlberg seine Ideen für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen konkretisiert, sorgt erwartungsgemäß für konträre Reaktionen. Fakt ist: Die Pläne gehen deutlich über die von der schwarz-grünen Landesregierung paktierte Modellregion hinaus – dafür dauert es länger. Das ganze Bundesland soll in acht bis zehn Jahren die Gesamtschule für alle Schüler zwischen zehn und 14 einführen.

Das Ziel basiert auf den Empfehlungen einer Gruppe von Experten, die sich im Auftrag der Landesregierung schon länger mit der Gesamtschule befasst. Ihr eindeutiges Fazit: „Für das Bundesland Vorarlberg wird mittelfristig landesweit die Einrichtung einer gemeinsamen Schule von der fünften bis zur achten Schulstufe auf Basis von Indivisualisierung bzw. Personalisierung und innerer Differenzierung empfohlen.“ Basis dafür seien die Daten, die im Lauf des Forschungsprojekts zur Gesamtschule erhoben wurden sowie die OECD-Kriterien für erfolgreichere Schulen. Zentrale Maßstäbe: schulische Leistung und Chancengerechtigkeit.

Das Land steht voll hinter der Empfehlung, wie die Bildungslandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) – die das Papier mit präsentierte – im Gespräch mit der „Presse“ erklärt: „Wir werden jetzt Schritt für Schritt in diese Richtung gehen. Für uns ist wichtig, dass jedes Kind nach seinen Fähigkeiten bestmöglich gefordert und gefördert wird.“ Auch die spätere Bildungsentscheidung ist für sie zentral.

Die Experten untermauern das auch mit Fakten: Volksschulnoten seien „kein taugliches Mittel“, um Bildungsentscheidungen im Alter von zehn Jahren zu treffen. So würde in Mathematik die Hälfte der als nicht AHS-reif eingestuften Schüler in der fünften Schulstufe in Vorarlberg dieselben Leistungen erbringen wie ihre Altersgenossen im Gymnasium. Mit einem neuen System würde man sich das ersparen.

Mehr Individualisierung

Bis es soweit ist, müsse aber einiges an Vorarbeit geleistet werden, sagt Landesrätin Mennel – daher auch die veranschlagten zehn Jahre. Es brauche etwa Veränderungen in der Pädagogik – einen stärkeren Fokus auf Individualisierung etwa – und mehr Schulautonomie. Das Land hat dabei schon einiges in die Gänge gebracht: Ein pädagogisches Konzept ist in Arbeit, die Pädagogische Hochschule wird bei der Lehrerfortbildung einen Schwerpunkt auf Individualisierung legen.

Der heikelste Punkt: Auch der Bund werde seinen Beitrag zur „besseren Schule“ leisten müssen, sagt die Landesrätin: Wenn die Zeit reif sei, werde man – insbesondere wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen – an den Bund herantreten. Zur Einführung der gemeinsamen Schule als neuer Schultyp müssten sowohl das Schulorganisations- als auch das Schulunterrichtsgesetz geändert werden.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner – dessen Partei sich in ihrem neuen Programm auf Bundesebene gerade wieder sehr deutlich für die Beibehaltung des Gymnasiums ausgesprochen hat – bleibt kryptisch. „Wir wollen nicht über Türschilder diskutieren, sondern stellen die Kinder in den Mittelpunkt. Die Diskussion über eine Modellregion sehen wir wie die Vorarlberger Landesregierung als einen kooperativen Weg.“ (beba/APA)

AUF EINEN BLICK

Das Forschungsprojekt. In dem Projekt, das vom Land angestoßen wurde, haben sich Experten u. a. mit rechtlichen und organisatorischen Fragen sowie mit pädagogischen Konzepten einer Gesamtschule auseinandergesetzt. Im November 2013 wurden außerdem rund 19.700 Lehrer, Eltern und Schüler über das Schulsystem befragt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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