Was das Pensionssystem zum Kippen bringt

Die Hacklerregelung bleibt bestehen, obwohl man eigentlich schon über eine Anhebung des Regelpensionsalters diskutieren müsste.

Wie mag sich wohl jener burgenländische Lehrer gefühlt haben, der sich irgendwann einmal in den Jahren 2008 bis 2013 mit 65 in die Pension verabschiedet hat? Als Alien mitten in der Spezies der Frühpensionisten? Als Loser, der es als Einziger nicht geschafft hat, sich vor Erreichen des Regelpensionsalters in den „wohlverdienten Ruhestand“ zu verabschieden? Oder als Held der Arbeit? Als derjenige, der als Einziger die Funktionsfähigkeit des heimischen Pensionssystems aufrechterhält?

Der Rechnungshofbericht über die Pensionen der Landeslehrer legt auf exemplarische Art offen, was in den vergangenen Jahren schiefgelaufen ist im Pensionssystem. Die an sich sinnvolle Pensionsreform zu Beginn der schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel ist konterkariert worden durch Ausnahmebestimmungen, deren bekannteste die heute noch in einer abgeschwächten Form geltende Hacklerregelung ist.

Der Name war die Botschaft: Schwarz-Blau wollte dem Vorwurf entgegentreten, „unsoziale Grauslichkeiten“ zu verordnen. Und als Grauslichkeit galt da schon, die in Österreich beliebte Frühpension einzudämmen – vom Abschaffen ist ja bis heute nicht die Rede. Wer als Hackler sein Leben lang schwer gearbeitet hat, soll würdevoll in Pension gehen können und nicht die letzten Arbeitsjahre im Krankenstand oder in der Arbeitslosigkeit verbringen müssen, so die Idee.

In der Praxis ist die Hacklerregelung ganz anders konzipiert: Sie ermöglicht Frauen nach 40 und Männern nach 45 Arbeitsjahren den vorzeitigen Pensionsantritt. Welche Art der Arbeit man verrichtet hat, ist dabei kein Thema. Man muss also kein Hackler sein. Im Gegenteil: Der typische Hackler am Bau, der in den Wintermonaten oft in die „Arbeitslose“ geschickt wurde, hat keinerlei Chance auf die Hacklerpension, weil er die notwendigen Versicherungszeiten nicht zusammenbringt.

Dagegen sind Beamte, die gleich nach der Schule oder nach einer kurzen Ausbildung in den Staatsdienst eingetreten sind, geradezu prädestiniert für die Inanspruchnahme der Hacklerregelung. Dass Beamte überproportional unter den Begünstigten sind, wusste man schon lang. Der Rechnungshofbericht zu den Landeslehrern legt aber jetzt erstmals offen, wie die Regelung systematisch ausgenutzt wurde. Wenn fast niemand den regulären Weg der Alterspension beschreitet, drei Viertel zu Hacklern werden und der immer noch große Rest die Invaliditätspension nutzt, so befinden wir uns in genau jener Schieflage, die das ganze Pensionssystem zum Kippen bringt.

Zwei Milliarden Euro kostet laut Rechnungshof die Flucht in die Hacklerpension allein bei den Landeslehrern. Das Absurde dabei: Es gibt derzeit nicht gerade ein Überangebot an ausgebildeten Lehrkräften. Jene Lehrer, die um viel Geld in Frühpension geschickt werden, würden eigentlich dringend benötigt.


Nun ist nicht anzunehmen, dass der Rechnungshofbericht für den Sozialminister eine große Überraschung ist. Dass die Hacklerpension großteils nicht von Hacklern in Anspruch genommen wird, kann Rudolf Hundstorfer auch in der Vergangenheit schon nicht verborgen geblieben sein. Warum er trotzdem lange Zeit an der Regelung festgehalten hat? Das ist wohl nur damit zu erklären, dass er sich nicht dem Vorwurf des Sozialabbaus aussetzen wollte.

Seit dem Vorjahr gelten strengere Zugangsbestimmungen zur Hacklerpension: Für Männer liegt das Antrittsalter nun bei 62, für Frauen wird es schrittweise angehoben. Zudem gelten nur echte Beitragsmonate als Versicherungszeit. Für Akademiker, die während des Studiums nicht gearbeitet haben, ist es somit praktisch unmöglich, unter die Regelung zu fallen. Und man muss auch Abschläge hinnehmen – wenn auch nicht so hohe wie etwa bei der Schwerarbeiterpension, die ja eigentlich die echte Hacklerpension ist.

Die Hacklerregelung bleibt also, wenn auch weniger attraktiv und für einen eingeschränkten Personenkreis. In einer Zeit, in der man eigentlich schon über eine Anhebung des Regelpensionsalters diskutieren müsste, wirkt das einigermaßen anachronistisch.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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