Schule: Lehrer sollten nicht todernst sein

(C) Moses Brown School
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Ein US-Pädagoge landet mit einem lustigen Video einen YouTube-Hit. In der Schule kann Humor einiges bringen. Auch wenn er kein Wundermittel gegen schlechten Unterricht ist.

Dieser Direktor hat Schmäh: Mit einem selbst gedrehten Musikvideo hat der US-amerikanische Schulleiter Matt Glendinning seine Schüler darüber informiert, dass wegen Schneestürmen der Unterricht ausfällt. „Hello, it's Matt, I was wondering if you've seen the whiteness on the street“, schmachtet er zur Musik zum aktuellen Hit von Popstar Adele („Hello“), während ihm der Wind die gestreifte Strickhaube vom Kopf weht. „Die Schule bleibt heute geschlossen“, singt er. Und weiter, nicht ganz ohne Selbstironie: „Es tut mir leid, wenn es euch das Herz bricht, aber kommt heute nicht!“

Das gefällt offenbar nicht nur den Schülern an der Moses Brown School im Providence im Nordosten der USA: Innerhalb weniger Tage wurde das Video auf YouTube mehr als 200.000-mal angeklickt. „Das ist derartig cool! Ich wünschte, wir hätten auch so großartige Lehrer“, schreibt etwa ein User aus Deutschland. Wie locker Glendinning im Unterricht ist, ist nicht überliefert – anzunehmen ist aber, dass er nicht immer völlig ernst ist. Was die Frage aufwirft: Wie lustig dürfen Lehrer sein? Wie viel Humor sollten sie haben? Und was bringt das im Unterricht?

Einer, der es wissen muss, ist Andreas Ferner. Der 42-Jährige ist nicht nur HAK-Lehrer in Wien, sondern nebenbei auch noch Kabarettist („Schule, Oida“). Für seine Schüler macht Ferner allerdings nicht den Kasperl, wie er erzählt. Sein Job sei, ihnen möglichst viel beizubringen. „Ich muss meine Inhalte bestmöglich rüberbringen. Gut präsentieren zu können ist da natürlich zentral – und das beinhaltet auch einen Unterhaltungsfaktor.“ Generell findet Ferner: Humor im Unterricht sei jedenfalls ein nettes Extra – aber eher kein Muss. „Überspitzt gesagt: Von Lehrern wird schon jetzt verlangt, dass sie Wunderwuzzis sind. Wenn sie jetzt auch noch superlustig sein müssen, ist das meiner Meinung nach ein bisschen hoch gegriffen.“

Es ist kein Muss, dass ein Lehrer witzig ist, sagt Christian Kraler, der das Institut für Lehrerbildung an der Uni Innsbruck leitet. „Ein Lehrer kann bei den Schülern auch aus ganz anderen Gründen gut ankommen: Weil er sehr gut erklären kann. Weil er sehr gerecht ist. Weil er sich besonders um jeden Einzelnen bemüht.“ Aber unwichtig ist Humor nicht. „Die Schüler wollen gerecht behandelt werden, sie wollen Sachen gut erklärt bekommen und eine adäquate Beziehung zur Lehrperson haben“, sagt Kraler. „Und da gelten jene Faktoren, die auch sonst für Beziehungen gelten.“ Unter anderem einer: „Das Gegenüber soll nicht todernst sein.“

»Bei Hesse, Musil oder auch Pink Floyd hat das Lehrpersonal überhaupt keinen Humor. In der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern fehlt da alles Menschliche.«

Christian Kraler, Uni Innsbruck

Was gut ankommt, ist, wenn Lehrer auch über sich selbst lachen können, sagt Kraler. „Dass man sich bei aller Ernsthaftigkeit nicht selbst zu ernst nimmt. Nicht, dass man sich lächerlich macht, sondern dass man locker mit eigenen Fehlern umgeht. „Man verspricht sich und dann lacht man. Da findet etwas statt, was in der starken Funktionalisierung der Schule oft verloren geht: dass die Lehrperson auch als Mensch wahrgenommen wird.“ Das Umgekehrte sei übrigens auch Thema in Literatur und Kunst. Von Hermann Hesses „Unterm Rad“ über Robert Musils „Verwirrungen des Zöglings Törleß“ bis hin zu Pink Floyd („Wir brauchen keinen Sarkasmus im Klassenzimmer“). „Da hat das Lehrpersonal überhaupt keinen Humor, in der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern fehlt da alles Menschliche.“ Und das sei im Schulalltag wichtig: Denn Lernen habe schließlich immer mit Beziehung zu tun.

Auch bei Konflikten kann etwas Schmäh viel bringen. „In der Schule gibt es ja immer wieder sehr stressbelastete Situationen“, sagt Kraler, der früher selbst als Lehrer gearbeitet hat. „Und Humor hat eine spannungsabbauende Funktion.“ Das gilt im Übrigen auch für die Pädagogen selbst, wie der deutsche Erziehungswissenschaftler Ekkehard Ossowski in einem Aufsatz schreibt: „Humorvolle Lehrer und Lehrerinnen werden weniger krank.“ Er warnt aber auch vor zu hohen Erwartungen: Humor sei weder ein Allheilmittel gegen schlechten Unterricht noch ein Wundermittel gegen eine miese Lernatmosphäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2016)

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