Warum Lehrer 300.000 Pfund in der Woche verdienen sollten

Aus meinem Reisetagebuch: „Where are you from?“, tönt es aus dem Fahrersitz, der sich auf der falschen Seite des Shuttlebusses...

Aus meinem Reisetagebuch: „Where are you from?“, tönt es aus dem Fahrersitz, der sich auf der falschen Seite des Shuttlebusses befindet. Ein sympathisch wirkender Engländer versichert mir, dass ich an diesem 11. Juli schon der dritte Österreicher sei, den er vom Terminal 3 in Heathrow zu seinem Leihauto brächte. „Is it true that there is a lot of snow in Austria?“ Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich ihm erklären soll, dass Österreich eigentlich praktisch um die Ecke liege und es dort somit auch gerade Sommer sei, oder ob ich mich auf eine Grundsatzdiskussion über Klischees und Stereotypen einlassen sollte. Also bejahe ich einfach. Als nächstes will er noch wissen, ob man bei uns den Schnee tatsächlich mit Asche zum Schmelzen brächte. Irgendwo in meinem Hinterkopf regt sich tatsächlich eine ausgewaschene Erinnerung an harte Winter, in denen meine Mutter Asche in unserer Einfahrt ausstreute, doch das war weit vor diversen Grünpolitikern und Gewässerschutzkommissionen. Ich lächle bloß und mein Chauffeur versteht mich auch ohne Worte.

Die brennenden Fragen über Österreich wären somit beantwortet. „What do you do for a living?“, wendet sich das Gespräch nun in meine Richtung. „Ich bin Lehrer“, sage ich und bin froh, dass ich mit meinem neuen Freund alleine im Shuttle sitze – muss ja keiner wissen was ich mache.

Doch entgegen aller Erwartungen lacht er nicht. Er schimpft auch nicht. Er fragt auch nicht nach, ob ich irgendwo eine Schraube locker sitzen hätte. Stattdessen fällt er mir verbal um den Hals und kann das Shuttle kaum am Boden halten: Wörter wie „important“, „honorable“ und „grateful“ stolpern nur so aus seinem Mund heraus und er versichert mir in einer Litanei, dass er vor unsereiner den größten Respekt habe. Er verstehe nicht, dass Menschen, die einen Ball über den Rasen schieben, 300.000 Pfund in der Woche verdienen (ja, das Finale der Fußball-WM war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgetragen). Viel eher müsste man dieses Geld den Lehrern geben. Sie seien es nämlich, die unsere Politiker ausbilden. Sie seien es, die unsere Kinder und Enkelkinder zu einem verantwortungsbewussten Erwachsensein heranführen würden. Sie hätten eben den größten Einfluss auf die Zukunft unseres Landes. Ihnen würde das Geld zustehen. Nicht Rooney! (Schon gar nicht Rooney!)

Gut, 300.000 Pfund in der Woche sind dann doch ein wenig übertrieben; so viel Geld will ich gar nicht. Aber diese Anerkennung, die mein neuer bester Freund mir und meinen Kollegen an jenem Tag entgegengebracht hat, ist Balsam auf die Seele eines österreichischen Lehrers...

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.