Musikverein: Öffentliche Privataufführungen

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Ein neu gegründetes Alban Berg Ensemble erinnert an Arnold Schönbergs kühnes Projekt zur Popularisierung Neuer Musik: tönende Konfrontationen im Brahmssaal.

Ziemlich genau 100 Jahre ist es her, dass Arnold Schönberg, leidgeprüft durch mittlerweile legendäre Wiener Konzertskandale, im Verein mit seinen Schülern Alban Berg und Anton von Webern eine Konzertserie ins Leben gerufen hat, die im Wien der Zeit nach 1900 Kultstatus gewinnen sollte. Wer etwas auf sich hielt, trat diesem Verein für musikalische Privataufführungen bei.

Dieser hatte sich der Aufführung von Schlüsselwerken der damaligen zeitgenössischen Musik verschrieben, brachte Erstaufführungen von Kompositionen Claude Debussys, Alexander Skrjabins oder Max Regers nach Wien und kombinierte diese mit den jüngsten Hervorbringungen der heute sogenannten Zweiten Wiener Schule. Aber nicht nur. Auch ältere Musik, die nach Schönbergs Meinung die Entwicklung der harmonischen und formalen Sprache entscheidend vorangetrieben hatte, wurde zur Diskussion gestellt.

Erstklassige interpretatorische Qualität war jedenfalls Trumpf. Und selbstredend wollte man sich nicht auf Kammermusik und Lieder beschränken, sondern die gesamte Bandbreite des Repertoires nutzen. Die Bearbeitungen großer Partituren für Kammerensembles erstellten die Mitglieder des Schönberg-Kreises selbst. Aus dem Verein gingen später bedeutende Solisten – etwa der Pianist Rudolf Serkin – hervor, geschult am strengen Ohr und Geschmacksurteil Schönbergs, der damit auch die Interpretationsgeschichte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitbeeinflussen sollte.

Wiedergewinnung der Moderne

Die Wiener Alban Berg Stiftung hat nun nach dem Vorbild dieses im Zeichen der Wirtschaftskrise bald wieder aufgelösten, dennoch stilbildenden Schönberg-Vereins ein Alban Berg Ensemble gegründet, um an die Landnahme der musikalischen Moderne zu erinnern. Das Ensemble besteht aus den Mitgliedern des Hugo Wolf Quartetts, Silvia Careddu und Alexander Neubauer von den Wiener Symphonikern sowie der Pianistin Alexandra Silocea. Dieses Septett, das bei Gelegenheit um diverse Instrumente erweitert werden kann, eifert ab sofort im Wiener Musikverein dem Schönberg'schen Gedanken nach.

Immerhin gilt ja etliches aus dem Repertoire, das die Meister der Wiener Schule damals pflegten, nach wie vor als Neue Musik. Und wie damals möchte man die zeitgenössische Produktion einbinden. So steht denn in den Programmen des Alben Berg Ensembles Musik aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhundert Schlüsselwerken früherer und späterer Epochen gegenüber.

Wobei anders als einst bei den Privataufführungen Applaus ausdrücklich erwünscht ist. Schönberg hatte sich Beifalls- wie Missfallenskundgebungen verbeten. Die Hörer sollten sich auf die Musik konzentrieren und keine Urteile darüber abgeben. Leidvolle Erfahrungen bei den Uraufführungen etwa seines Zweiten Streichquartetts hatten den Komponisten dazu veranlasst.

Der Zyklus des Alban Berg Ensembles startet im Brahmssaal des Wiener Musikvereins, in dem einst die erwähnte Quartett-Premiere im Lärm des protestierenden Publikums unterzugehen drohte, am 3. Oktober mit dem Streichquartett in a-Moll von Johannes Brahms, den Schönberg zum ersten „Progressiven“ zu stempeln wusste: Immer wieder berief sich der Ahnvater der Moderne auf die formalen und strukturellen Innovationen dieses Romantikers.

Es folgt Anton von Weberns Arrangement der Schönberg'schen Kammersymphonie op. 9, die einer neuen Einrichtung eines der „Altenberg-Lieder“ Alban Bergs durch Peter Kulman gegenübersteht. Damit knüpf man an die Tradition der Privatkaufführungen an und führt sie fort. Das erste Abonnementkonzert endet sozusagen mit einer – allerdings bereits im Proramm genannten – Zugabe: Arnold Schönbergs Bearbeitung von Johann Strauß' „Kaiserwalzer“. Sie ist einst entstanden für einen populären PR-Abend des Vereins, bei dem mit populärem Repertoire Geld für gewagtere Projekte lukriert werden sollte.

Die nächsten Abende: 28. November (Schumann, Debussy, Pendreceki), 21. März (Haydn, Dvorak, Amy Beach) und 4. Mai (Schubert, Brahms, Berg).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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