Christopher Just: Der Mod und die Mörder

Erinnerungen. In seiner Jugend war Christopher Just so wie seine Romanfigur selbst ein Mod.
Erinnerungen. In seiner Jugend war Christopher Just so wie seine Romanfigur selbst ein Mod.(c) Christine Pichler
  • Drucken

Musiker Christopher Just hat einen Roman geschrieben: „Der Moddetektiv“ ist eine heitere Persiflage, bei der nicht einmal der Autor selbst verschont bleibt.

„Es war fast, wie wenn man in einer Parallelwelt lebt“, erzählt Christopher Just von den Monaten, in denen er sein erstes Buch geschrieben hat, „man will gar nicht mehr aus seinen Geschichten hinaus in die Realität“. Just, der mit elektronischer Musik ab den 1990ern von seiner Heimatstadt Wien aus auch international als DJ und Produzent bekannt wurde, tauschte vor Kurzem den Club gegen den Schreibtisch. Auch von Facebook und Co. verabschiedete er sich für sein Romanprojekt: „Ich ging komplett raus aus den Social Media. Vom nächsten Tag an ging die Schreiberei los, bis zu vierzehn Stunden am Tag.“ Als Ergebnis dieses „super lustigen Trips“ liegen nun über fünfhundert vergnüglich-verrückte Seiten vor, auf denen er erzählt, wie „Der Moddetektiv“ Augustin Johnny Sandemann einen Mord klärt und dabei die Welt rettet.

Absurde Spiele. Vom Techno-DJ zum Autor war es für Just kein so weiter Sprung, wie es den Anschein nimmt. Gelesen habe er immer gern, erzählt er von begeisterten Lektüren eines Bret Easton Ellis oder Houellebecq. Ans eigene Schaffen wagte er sich aber lange nicht: „Das schien mir immer etwas sehr Großes.“ Doch als ihm vor einigen Jahren angeboten wurde, Kurzgeschichten zu schreiben, spürte er, wie viel Freude er dabei hatte. Etwas auszuprobieren, ohne viel nachzudenken, ob man es gerade richtig mache oder welches Ziel dahinter stehe, das stand für ihn schon bei der Musik an erster Stelle; daran habe sich beim Schreiben nichts geändert. Deshalb habe er sich auch für sein Buch im Vorhinein keinen Plot ausgedacht: „Das ist nicht mein Ding. Mein Gedanke war: Ich erfinde eine absurde Person, und diese steht in einem Raum einfach auf und marschiert los. Ich wusste nicht, wohin sie geht, wen sie trifft, ob überhaupt eine Geschichte passieren wird, sondern ich habe beinahe zugeschaut. Diese Reise war ein Erlebnis“, schildert Just, wie seine Hauptfigur und die anderen Protagonisten ihn mit der Zeit selbst überraschten.

Solche Überraschungsmomente vermögen mit ein Grund zu sein, warum für ihn mittlerweile nicht die Musik, auch nicht die Malerei — Just malt immer wieder, war für einige Zeit an der Universität für angewandte Kunst eingeschrieben —, sondern das Schreiben die liebste Tätigkeit ist: „Das Großartige daran ist, dass man alles zur Verfügung hat, das ganze Universum. In einem Buch kannst du ja alles machen.“ So ziemlich alles hat er sich nun in seinem Roman erlaubt: „Manchmal musste ich selbst lachen, was ich da schreibe“, amüsiert er sich über seine Geschichte, die „ja eigentlich total hanebüchen ist“: Der amphetaminsüchtige Privatermittler Sandemann nennt sich lieber Moddetektiv, da er den Stil der 60er-Jahre Subkultur der Mods verkörpert; Stichwort Parka, Vespa und The Who. Als ein anderer Mod ermordet wird, soll er den Fall klären. Schuld kann nur jemand aus der rivalisierenden Szene der Teds sein, denkt man. Doch dann passiert ein verheerender Anschlag mit einer vermeintlichen Superwaffe, der mit dem ersten Mord verwoben ist und Verbindungen zur Immobilienszene offenlegt. Die Lösung des Falles wird zum Rätsel auf mehreren Ebenen; und das Spiel damit sei wichtiger gewesen als der Plot selbst, Just hat Fakes, Unsinn oder Spielereien mit dem Leser eingebaut: „Für mich war wesentlich, eine Metaebene zu schaffen.“

Fiebertraum. „Letztendlich ist es ein Spiel mit dem Medium selbst: Was ist Literatur?“, fasst Just seine Absicht zusammen. „Es ist eine Collage, hat etwas Kulissenhaftes, ist ein bisschen wie ein Fiebertraum,“ ergänzt er. In seiner Fiktion verschwimmen auch Zeit und Ort der Handlung so, dass unklar bleibt: Befinden wir uns hier im Wien der Gegenwart? „Je nach Tagesform“, meint Just, habe er für diese Collage verschiedenste Einflüsse aufgesogen und Klischees ad absurdum geführt: von Balzac bis zu „Tim und Struppi“, von David Lynch bis zu „Columbo“, vom Genre Kriminalroman bis zu Fragen der Gentrifizierung und Immobilienspekulation. Natürlich seien auch autobiographische Reminiszenzen eingeflossen: „Es geht nicht anders. Wenn man Situationen und Gefühle beschreiben will, ist es gut, sie selbst erlebt zu haben“, sagt Just, der als Jugendlicher übrigens selbst Mod war — eine Zeit, von der ihm bis heute nur der Kleidungsstil lieb geblieben ist.

An einer Stelle im Buch tritt Just gar persönlich auf: als koksender DJ in einem Club, wo er den Mod­­detektiv trifft, der sich auch nicht gerade nüchtern mit seiner weiblichen Begleitung vergnügt. „Sex und Drogen sind ja die großen Themen im Leben“, findet Just. „Ich habe in der Techno-Zeit meine Erfahrungen gemacht. Vieles ist natürlich überspitzt dargestellt, ich lasse meine Phantasie gern spielen. Mich selbst in meiner eigenen Geschichte lächerlich zu machen, war aber ein seltsames Gefühl“, erzählt er: Bei seiner ausufernden Persiflage macht er auch nicht vor der eigenen Person halt. Apropos: Auch am ausgedehnten Erzähltempo merkt man, dass Just das Ausufern am Herzen lag: „Die Protagonisten müssten ganz dringend diesen Fall erledigen, aber verzetteln sich dauernd“, schildert Just und kommt schließlich auf seine Social-Media-Abstinenz zurück, mit der das Schreiben für ihn begonnen hat: „Durch die Digitalisierung und die ständige Vernetztheit ist alles so rasant geworden. Ich wollte etwas Entschleunigendes machen.“

Tipp

Der Moddetektiv. Roman von Christopher Just, Milena Verlag. Buchpräsentation im Gartenbaukino Wien am 30. 3., 21 h.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.