170 Personen haben sich beim Presserat über das „Krone“-Foto der toten Flüchtlinge im Lkw auf der A4 beschwert. Es gibt aber auch – ein wenig – Zuspruch.
Wien. „Wir stehen derzeit bei 170 Mitteilungen zu dem Bild der toten Flüchtlinge in @krone?t – ein absoluter Rekord!“, meldete der Österreichische Presserat am Montag um 12.40 Uhr via Twitter. Noch nie haben sich so viele Menschen über einen Artikel oder ein Foto in einem österreichischen Medium beschwert wie über jenes Bild, mit dem die „Krone“ am Freitag die Öffentlichkeit schockierte: Es zeigt einen Blick in jenen Lkw, in dem Ende vergangener Woche 71 tote Flüchtlinge gefunden wurden.
Was die Menschen daran kritisieren? „Der Grundtenor der Beschwerden lautet, dass es sich dabei um eine menschenunwürdige Darstellung handelt“, erklärt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek der „Presse“. Schon heute, Dienstag, wird der Senat 3 des Gremiums unter der Leitung der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss darüber beraten, ob in der Causa ein Verfahren eröffnet wird. Wenn ja, hat die „Kronen Zeitung“ zwei Wochen Zeit, dazu Stellung zu nehmen.
Auch „Bild“ brachte das Foto
Bereits am Freitag hat die „Kronen Zeitung“ die Veröffentlichung des Fotos als „gemeinsame Entscheidung der Chefredaktion“ verteidigt. Man wollte mit diesem „erschütternden Zeitdokument“ wachrütteln. Die Gesichter der Toten seien nicht zu erkennen gewesen, eine Bebilderung dieser Tragödie müsse möglich sein. Ganz sicher war man sich seiner Sache dann aber offenbar doch nicht: Am Samstag erschien das Foto nochmals – aber es wurde künstlich verschwommen abgedruckt. In der Sonntagsausgabe der „Krone“ war es wieder scharf zu sehen: Ein Faksimile zeigte einen Ausschnitt aus der „Bild“-Zeitung, die das Foto von der „Krone“ zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Auch dagegen regt sich bereits Widerstand – beim Deutschen Presserat liegen erste Beschwerden vor.
Es gebe aber nicht nur Kritik, sagt Warzilek: „Es hat sich auch eine Dame gemeldet, die gesagt hat, man soll das Foto zeigen: Man müsse solche Bilder veröffentlichen, um die Bevölkerung wachzurütteln und um den Schrecken dieser Flüchtlingstransporte deutlich zu machen. Das ist ein Faktor, der vom Presserat auch diskutiert werden wird.“
Die Sache hat darüber hinaus auch bei der Polizei ein Nachspiel: Das Foto war der „Krone“ offenbar von der Polizei zugespielt worden, weshalb auch die Staatsanwaltschaft in der Causa ermittelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)