Hartmann: "Ich war ein Angeber"

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Der Burg-Chef, der beim Arbeitsgericht seine Entlassung anficht, lebt nun mit seiner Familie in Salzburg. Bei André Heller auf ORF III erzählte er von seinem neuen Leben.

Ich bin im Schock. In homöopathischen Dosen kommt die Realität zu mir. Ich weiß nicht mehr, wo ich hingehöre, bin im luftleeren Raum, trudle durchs Vakuum.“ In André Hellers Sendung „Menschenkinder“, gestern, Freitag, in ORF III zu sehen, war Ex-Burg-Chef Matthias Hartmann zu Gast und sprach unter anderem darüber, wie er die Burgtheater-Krise und seine Entlassung im heurigen März erlebte. Über sich selbst sagte er: „Ich war in meiner Jugend ein Angeber. Deswegen hatte ich keine guten Chancen bei Frauen. Ich brauchte immer Frauen, die mir verziehen haben, dass ich bin, wie ich bin.“

In seiner Theaterarbeit, so Hartmann bei Heller weiter, sei es ihm nie darum gegangen, „verkrustete Strukturen“ aufzubrechen, er wolle das Publikum verführen, auch dazu, „auf komplizierteren Wegen mitzugehen“. Hartmanns Arbeitsgerichtsprozess wurde im November unterbrochen, um strafrechtlich relevante Vorwürfe zu klären. Seine Anwältin Katharina Körber-Risak sagt, sie hoffe, dass die Pause nicht länger als neun Monate dauere, unter anderem geht es um Untreue und die Rechtmäßigkeit von Hartmanns Vorbereitungsvertrag am Burgtheater. „Das ist branchenüblich, der Untreuevorwurf ist also vom Tisch“, so Körber-Risak. Hartmann lebt inzwischen mit seiner Familie in Salzburg, wo seine Frau, Regisseurin Alexandra Liedtke, am Landestheater im November Schillers „Kabale und Liebe“ herausbrachte. Auch Hartmann ist als Regisseur wieder gefragt.

An der Mailänder Scala inszeniert er Webers „Freischütz“, an der Genfer Oper Beethovens „Fidelio“, und auch am Staatsschauspiel Dresden arbeitet er. Für Servus TV entwickelt Hartmann Kultur- bzw. Theaterformate. Das einstige Liebkind des Feuilletons und vieler Theaterfans hat einen Absturz erlebt, wie er sonst eher in Politik oder Wirtschaft vorkommt. 1963 in Osnabrück geboren, wurde eine der ersten Inszenierungen des 29-Jährigen am Niedersächsischen Staatstheater in Hannover zum Berliner Theatertreffen eingeladen: Lessings „Emilia Galotti“.

Burg: 82 statt 84 Prozent Auslastung

Hartmann inszenierte am Residenztheater in München und am Burgtheater (u.a. Schillers „Räuber“). Früh sicherte der ehemalige Kunststaatssekretär Franz Morak (VP) Hartmann, der davor Intendant in Bochum und Zürich war, 2006 das Burgtheater zu. In Zürich gab es zwar Turbulenzen mit der Belegschaft, aber in Wien stieg Hartmann mit einer Rekordauslastung von 90 Prozent ein. Zuletzt wurde seine Inszenierung „Die letzten Zeugen“ über den Holocaust – ein Projekt mit Doron Rabinovici – heuer zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Da war die Burg-Krise schon kräftig am Kochen. „Meine Kinder sind gesund, wir sind zusammengerückt und haben mehr voneinander, als wir in den Jahren zuvor hätten träumen können“, meinte Hartmann am 11. 12. in „News“.

Stärker als je zuvor habe er in der Krise gespürt, dass Inszenieren „Kern seiner Existenz“ sei. Zu Beginn der Burg-Krise hatte er mit der Bemerkung für Irritation gesorgt, er interessiere sich eben mehr für Kunst als für Buchhaltung. Auch die frühere Burg-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky hat ihre Entlassung angefochten. Der langjährige Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, trat im Juni vorzeitig in den Ruhestand. Die Burg hat zuletzt unter Direktorin Karin Bergmann statt 84 nur mehr 82 Prozent Gesamtauslastung, was angesichts der öffentlichen Debatten um mögliche Verschwendung und mögliche steuerschonende Überweisungen im Haus erstaunlich ist. Zu Silvester wird im Haupthaus eine Hartmann-Inszenierung gegeben: Shakespeares „Was ihr wollt“ mit Maertens, Ofczarek, Meyerhoff. Tantiemen erhalte Hartmann keine, „er hat genug verdient“, heißt es süffisant im Burgtheater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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