Festspiele Stockerau: Der „Diener zweier Herren“ wäre lieber Hamlet

(c) Festspiele Stockerau/Johannes Ehn
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Goldonis Komödie wird in der Stockerauer Fassung zu einem überdrehten Stück im Stück: ein dennoch amüsantes Spiel mit vielen Verwirrungen und mancher Verirrung in andere Dramen.

Das Sommertheater als Talentshow, bei der aufstrebende Schauspieler sich den im Premierenpublikum anwesenden Theaterdirektoren präsentieren können? Nein. Die engagiertesten jungen Darsteller kommen aus den Schauspielschulen, und als Sprungbrett dienen Film und Fernsehen wohl besser als die sommerlichen Kleinstadt-Festspielbühnen. In Stockerau lässt man die Idee dennoch aufleben und macht sie zum Gegenstand der Rahmenhandlung, in welche die diesjährige Inszenierung von Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“ gebettet ist: Eine Truppe eitler Schauspieler gibt – auf Verlangen eines grimmigen Regisseurs – Goldonis Komödienklassiker. Der Regisseur verbittet sich schauspielerische Ausritte der Akteure: „Wehe, einer von euch spielt auf Engagement“ – immerhin sei der Leiter eines Dreispartenhauses im Publikum.

Die Darsteller machen trotzdem, was sie wollen, viel lieber als leichten Komödienstoff möchten sie nämlich ernste Literatur spielen (ein ironischer Seitenhieb auf die doch oft boulevardeske Sommerspielprogrammierung?). So passiert es dann, dass der Diener Truffaldino (überzeugend: Okan Cömert), wenn er sich von seinen zwei Herren unbeobachtet wähnt, Hamlets Monolog über „Sein oder nicht sein“ anstimmt. Das Dienstmädchen Columbina (bezaubernd: Claudia Waldherr) beginnt zwischendurch zu trällern, Beatrice (Katharina Stemberger) dehnt ihren Moment der Trauer auf eine schmerzvoll-übertriebene Darstellung von Schluchzern aus, und auch beim Fechten fallen die Darsteller gern aus ihren Rollen: „Komm, wir spielen Romeo und Julia!“

Zoten und Tanzmoves

Diese Verirrungen in der Stockerauer Stück-im-Stück-Fassung von Intendant/Regisseur Zeno Stanek und Karl Ferdinand Kratzl sind manchmal lustig, meist wirken sie wie der allzu bemühte Versuch, Tiefe zu erzeugen – das hätte Goldonis 270 Jahre altes Stück, ein Höhepunkt der Commedia dell'Arte, aber nicht nötig. Beatrice, eine junge Adelige aus Turin, reist in Männerkleidern nach Venedig und gibt sich als ihr ermordeter Bruder Federigo aus, um in seinem Namen Geld einzutreiben und ihren Geliebten Florindo aufzuspüren, der aus Turin floh, nachdem er des Mordes beschuldigt worden war. Dass der tot geglaubte Federigo plötzlich an der Tür steht, sorgt für Verwirrung im Haus des Geschäftsmanns Pantalone: Er hatte Federigo seine Tochter versprochen, sie aber inzwischen mit einem anderen verlobt. Federigos Diener Truffaldino treibt das Verwirrspiel indessen auf die Spitze, indem er sich, um seinen Sold aufzubessern, einem zweiten Herren anbietet – ausgerechnet Florindo, der von Beatrices Ankunft noch nichts ahnt . . .

In der Stockerauer Fassung ist Goldonis Text um ein paar Zoten (es geht u. a. um Achselschweiß und den Inhalt von Unterhosen) sowie um politische Anspielungen erweitert (auch Norbert Hofers Sager „Sie werden sich noch wundern“ hat hineingefunden). Zum Amüsement trägt die Performance der spielfreudigen Darsteller bei: Truffaldino ist hier ein Harlekin im Surferlook, ein vom Hunger geleiteter Tölpel, der sich seiner Tölpelhaftigkeit nicht bewusst ist. Cömert gibt ihn mit Pfiff und geschmeidigen Tanzmoves. Die Fußtritte, die er kassiert, steckt er mit dümmlicher Lässigkeit weg. Stemberger teilt als verkleidete Beatrice lieber aus: Kostümiert als eine Mischung aus Musketier und Zorro, gibt sie den Ton im Haufen der übrigen grellen, überschminkten Charaktere an. Wunderbar ist Christoph F. Krutzler als Wirt Brighella, der etwas Normalität in die überdrehte Inszenierung bringt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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